DFS-Probebetrieb

Die DFS hat in der Sitzung der Fluglärm­kommission am 04.12. einen für Februar/März 2020 vorge­sehenen ‚Probe­betrieb‘ bei Betriebs­richtung 25 (Anflug aus Osten) präsen­tiert, der ein "Konzept zur opti­mierten Nutzung des Start- und Lande­bahn­systems" testen soll. Bei genau­erer Betrach­tung handelt es sich aber weder um die Erpro­bung eines neuen Ver­fahrens noch um eine „Opti­mierung der Tabu­zonen­verfahren“ oder gar um eine „Umset­zung der BFU-Sicher­heits­empfeh­lung“. Vielmehr ist es ein Versuch, die im laufenden Jahr bereits vielfach genutzten Ver­fahrens­elemente in einemneue Konzept zusammen­zuführen und legiti­mieren zu lassen. Dabei wird die dem ‚Tabu­zonen­verfahren‘ zugrunde liegende Sicher­heits­philo­sophie end­gültig aufge­geben.

Die ‚Tabuzone‘ wurde 2011 eingeführt, um nach Eröffnung der Nordwest­bahn und Einfüh­rung der Südum­fliegung Konflikte zwischen einem Fehl­anflug auf die Südbahn und einem Start auf der Center­bahn zu vermeiden. 2015 wurde der Staf­felungs­abstand zur Einhaltung dieser Zone aufgrund von Empfeh­lungen der Bundes­stelle für Flug­unfall­unter­suchungen (BFU) von 5 auf 6 Nautische Meilen (von 9 auf 11 Kilo­meter) erhöht. Die Empfeh­lungen waren Bestand­teil der BFU-Unter­suchung einer schweren Störung, die sich bereits im Dezembe2011 ereignet hatte. Damals war ein auf der Center­bahn startender Airbus A320 aufgrund eines Lotsen­fehlers zweimal der Wirbel­schleppen­zone eines auf der Südbahn durch­startenden A380 gefähr­lich nahe gekommen.
Natürlich sollte auch im Norden gewähr­leistet sein, dass Starts nicht in Konflikt mit Durch­start­manövern auf der Nordwest­bahn geraten können, aber da gemäß Plan­fest­stellung der Nordwest­abflug von der Center­bahn nur noch in Ausnahme­fällen genutzt werden sollte, schien dafür keine besondere Regelung erforder­lich. Wegen Problemen mit der Südum­fliegung wird er aller­dings nach wie vor häufiger genutzt als geplant.

Beide Regelungen führen zu Beschrän­kungen in der möglichen Staffel­dichte von An- und Abflügen und damit zu Kapazi­tätsein­schränkungen. Auf­grund des Wieder­anwachsens der Zahl der Flug­bewegungen in den letzten beiden Jahren werden sie daher zunehmend, und nicht nur in Spitzen­zeiten, missachtet.
Spektakulär deutlich wurde das am 13.07.2019, als sich über dem ehemaligen Ticona-Gelände ein durch­startendes Flugzeug auf der Nordwest­bahn und ein von der Center­bahn auf den Nordwest­abflug drehendes Flugzeug unzu­lässig nahe kamen. Die BFU sah darin aller­dings keine „schwere Störung“ (da die Lotsen das Problem recht­zeitig lösen konnten), und die DFS weigert sich zu erklären, wieso es dazu über­haupt kommen konnte. Einzige Konse­quenz daraus war unnötiger Lärm über Edders­heim und Raunheim.

Verlet­zungen der Tabuzone im Süden sind inzwischen nahezu täglich zu beobachten. Dazu kommen nicht vorge­sehene Abläufe wie z.B. Swings von der Süd- auf die Center­bahn im Lande­anflug, während gleich­zeitig auf der Center­bahn gestartet wird und der Abstand zwischen Start und Landung gerade einmal eine Bahn­länge beträgt.
Spekta­kulärer Fall hier am 15.09.2018: ein im Lande­anflug von der Süd- auf die Center­bahn ‚geswingtes‘ Flugzeug fliegt statt­dessen den zwischen beiden liegenden Rollweg an, startet durchnd kreuzt dabei die Abflug­route eines kurz vorher von der Center­bahn auf die Südum­fliegung gestar­teten Flugzeugs. Auch hier keine Unter­suchung und keine Erklärung, da der zeitliche Abstand zwischen beiden am Kreuzungs­punkt so groß war, dass keine direkte Kollision drohte.

Wir haben darüber hinaus auf dieser Webseite über ein Dutzend Fälle doku­mentiert, in denen Störungen aufgrund der Nicht­beachtung beste­hender Regeln zu Abflügen direkt über das Stadt­gebiet mit entspre­chender Lärmbe­lastung geführt haben, von 2016 bis heute. Die DFS und andere Beteiligte haben in allen Fällen eine Erklärung für die Manöver verweigert.

Das von der DFS vorge­stellte Konzept verbes­sert die heutige Situation im Hinblick auf Kolli­sions­risiken nur insofern, als darin der Nordwest­abflug nun doch wieder nur in Ausnahme­fällen genutzt werden soll. Wieso die Südum­fliegung jetzt doch in der Lage sein soll, den kom­pletten Start­verkehr in West­richtung abzu­wickeln, erklärt die DFS aller­dings nicht.
Für die Situation auf dem Parallel­bahn­system ignoriert das Konzept die Schluss­folge­rungen und Empfeh­lungen aus dem BFU-Unter­suchungs­bericht der Störung 2011 und erhöht das Risiko für ähnliche Vorfälle deutlich. Die BFU benennt als wichtigste Ursache „Die Start­freigabe für den A320 wurde erteilt, als die Landung des A380 auf der Parallel­bahn noch nicht sicher­gestellt war“ und kommt zu der Einschät­zung, „dass Maßnahmen zur Entzer­rung der Abflug- und Fehl­anflug­verfahren durch­geführt werden sollten, die zu einer Risiko­minderung führen“. Beides missachtet das neue Konzept völlig

Wenn, wie von der DFS dargestellt, der Staf­felungs­abstand zwischen Anflügen auf die Center- bzw. die Südbahn 4 Nautische Meilen betragen soll, beträgt der zeitliche Abstand zwischen dem Passieren der jewei­ligen Lande­schwellen bei den üblichen Anflug­geschwindig­keiten weniger als 2 Minuten. Da zwischen dem Passieren der Lande­schwelle und der „sicher­gestellten Landung“ (Aufsetzen und Verzögern) nochmals rund 30 Sekunden vergehen, ist das Zeit­fenster für die einge­schobenen Starts kaum größer als 1 Minute.
Die Zeit zwischen Start­freigabe und Beginn des Start­laufs beträgt mindestens 15 Sekunden, der Start­lauf dauert ca. 30 Sekunden. Verzögert sich dieser Ablauf nur gering­fügig, muss das nach­folgende Flugzeug durch­starten, mit entspre­chenden Konse­quenzen für die Abläufe auf der Parallel­bahn. Statt einer „Entzer­rung zur Risiko­minimierung“ findet hier eine drastische Verdich­tung statt. In der Praxis ist das überhaupt nur zu bewäl­tigen, wennie „sichere Landung“ auf der Parallel­bahn nicht abge­wartet wird, sondern (wie auch darge­stellt) der Start­lauf bereits beginnt, bevor der parallel landende Flieger überhaupt aufge­setzt hat. Das ist genau das Szenario, dass die BFU als Haupt­ursache für die "schwere Störung" 2011 ausge­macht hat.

Die harmloseste Konse­quenz einer Störung in diesem System ist, dass der (durch)­startende Flieger von der Center­bahn im Gerade­ausflug über Raunheim dröhnt und dort eine massive Lärm­belästi­gung verursacht. Beispiele dafür gab es in der Vergangen­heit schon genug, eines davon zeigt die Grafik für den 21.07.2019 um 12:40 Uhr.
Der nächst schlimmere Fall wäre, dass, wie 2011 beinahe geschehen, der nach­folgende Flieger in den Wirbel­schleppen­bereich des voraus­fliegenden gerät und je nach Größen­verhält­nissen entspre­chend gefährdet wird. Noch Schlimmeres ist ebenfalls nicht auszu­schließen.
Lärm­mindernde Flugver­fahren wie 'Continuous Descent Operations' werden aufgrund der notwendigen exakten Staf­felungs­abstände unmöglich gemacht.

In der dichtest möglichen Packung, die die Simulation der DFS darstellt, könnten über 160 Flug­bewegungen pro Stunde durch­geführt werden - ein Wert, der weit über dem bisher disku­tierten Höchst­wert von 126 liegt und auf absehbare Zeit nicht dauer­haft erreicht werden kann. Das Modell könnte also absehbar nur in kurzen Spitzen­phasen in dieser Form zum Tragen kommen, dennoch bleibt auch damit genug Raum für drastische Konse­quenzen.
Dass das Konzept umsetzbar ist, zeigt die Grafik mit dem Screen­shot vom 02.12.2019. Aller­dings mussten wir die Grafik etwas bear­beiten. In den Origi­nalen erscheint die auf der Center­hn startende Maschine erst am linken Rand der Bahn, wenn die auf der Südbahn landende Maschine gerade aus der Darstel­lung verschwunden ist. Wir haben das Bild der startenden Maschine daher im Nach­hinein dahin kopiert, wo sie zum darge­stellten Zeit­punkt ungefähr gewesen sein muss.
Nebenbei übergeht das Konzept mit der Vertei­lung der Landungen auf Center- und Südbahn auch eine Bestim­mung aus dem Plan­fest­stellungs­beschluss, wonach der Anteil der Landungen auf der Center­bahn 4% der Gesamt­anzahl nicht über­steigen soll. Ist der PFB doch so leicht zu ändern?

Zusammen­fassend dient das neue Konzept also einer Erhöhung der Kapa­zität des Bahnen­systems des Flug­hafens Frankfurt, die allein schon aufgrund der Klima­schäden, die durch den Flug­verkehr bewirkt werden, nicht akzep­tabel ist. Es nimmt dafür eine deutliche Erhöhung der Lärm- und Schad­stoff-Belas­tung im Allge­meinen und bei Störungen für Raunheim und andere Gemeinden westlich des Flughafens im Beson­deren in Kauf. Das Risiko für Konflikte mit Gefähr­dung der betei­ligten Flugzeuge bis hin zu Abstürzen wird deutlich erhöht.

  • Wir fordern daher die DFS auf, dieses Konzept aufzu­geben und den Probe­betrieb, der aufgrund der noch geringeren Anzahl der Flug­bewegungen vermut­lich über­wiegend mit deutlich größeren Staffel­abständen arbeiten wird und damit zur Risiko­abschätzung ohnehin nicht taugt, umgehend wieder abzusagen. 
  • Wir fordern die Fluglärm­kommission auf, den Probe­betrieb aufgrund der geschil­derten Sier­heits­risiken neu zu bewerten und sich eindeutig dagegen auszu­sprechen. 
  • Wir fordern das Bundes­aufsichts­amt für Flug­sicherung (BAF) auf, das aktuelle DFS-Konzept eben­falls aus Sicher­heits­gründen abzu­lehnen und darauf zu drängen, dass die DFS ein neues Konzept entwirft, dass die Sicher­heits­empfeh­lungen der BFU in vollem Umfang berück­sichtigt und die Kapa­zität des Bahn­systems am Frank­furter Flug­hafen auf das sicher­heits­technisch Mögliche beschränkt.

Quelle:  www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles
 


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