Großbritannien Parlament befürwortet Klima-Notstand

Flughafenausbau im Klimanotstand

In Groß­britannien gab es in den letzten Tagen interes­sante und auch für uns wichtige Entwick­lungen (unab­hängig vom 'Brexit'). Zum ersten hat das Unter­haus eine Kern­forderung der Demon­stranten erfüllt, die in den letzten Wochen London partiell lahm­gelegt hatten, und eine Reso­lution ange­nommen, in der der Klima-Notstand erklärt wird. Das ist zwar nur eine politische Dekla­ration und hat keine unmittel­baren Konse­quenzen, gibt dem Thema aber ei ganz andere Bedeutung.
Genau genommen spricht die Reso­lution von einem "Umwelt- und Klima-Notstand" und fordert von der Regierung u.a., den in Groß­britannien seit 2008 geltenden Climate Change Act dahin­gehend zu ver­schärfen, dass eine Netto-Null-Emission von Treibhaus­gasen bereits vor 2050 erreicht wird. In der Parla­ments-Debatte wurden etliche weitere kritische Punkte und bisherige Versäum­nisse ange­sprochen, darunter auch die Zustim­mung eben dieses Parla­ments zum Bau der dritten Bahn am Londoner Flug­hafen Heathrow vor knapp einem Jahr.

Nahezu zeit­gleich hat das offi­zielle Beratungs­gremium der Regierung, das Committee on Climate Chance (CCC), einen Bericht vorgelegt, in dem drastische Maß­nahmen gegen den Klima­wandel vorge­schlagen werden. Auch danach soll Groß­britannien bis 2050 das Ziel der Netto-Null-Emission von Treibhaus­gasen erreichen.
Der Bericht enthält auch Aussagen zum Luft­verkehr. In einer Zusammen­fassung dazu heisst es:

"Reduk­tionen von Flugzeug-Emis­sionen können laut Kommittee von Verbes­serungen der Treib­stoff-Effi­zienz und vom Wechsel zu alter­nativen Treib­stoffen kommen. Jedoch sagt das Komittee, dass es nach derzei­tigem Stand keine kommer­ziell verfüg­baren 'Niedrig-Emis­sions-Flug­zeuge' gibt, so dass das Potential für solche Strate­gien beschränkt ist.
Das bedeutet, dass selbst wenn es bis zur Mitte des Jahr­hunderts einen 10%-Anteil an 'nachhal­tigen Treib­stoffen' gibt - wie das Kommittee in seinem ambitio­niertesten Szenario annimmt - die Luftfahrt immer noch stark von einer Entfer­nung von Treibhaus­gasen aus der Atmo­sphäre abhängen wird, um die Netto-Null zu erreichen.
Der Bericht warnt jedoch, dass einfachere Methoden, wie das Pflanzen von Bäumen, nicht genug sein werden, um die Emissionen des Luftverkehrs auszu­gleichen. Statt­dessen erwartet das Komittee, dass teurere Maß­nahmen, wie das direkte Entfernen von CO
2 aus der Atmo­sphäre oder die Nutzung von Bioenergie mit Kohlen­stoff­speicherung, nötig sein werden.
Das CCC sieht auch eine potentiell signifi­kante Rolle für die Einschrän­kung der Nachfrage nach Flügen, die für die nächsten Jahr­zehnte als schnell wachsend angenommen wird." (eigene Über­setzung)

Das sind in der Tat bemerkens­werte Aussagen für ein Regierungs­kommittee, insbe­sondere wenn man sie mit den einschlä­gigen Berichten der Kommis­sionen vergleicht, die die Bundes­regierung einbe­rufen hat.

Aber ebenfalls nahezu zeitgleich hat das Oberste Gericht, der High Court, eine Klage von Kommunen, Umwelt­verbänden und Einzel­personen gegen den Bau einer dritten Start- und Lande­bahn am Londoner Flughafen Heathrow zurück­gewiesen. Die Klage stützte sich im Wesent­lichen darauf, dass dieses Projekt im Wider­spruch steht zu den Klima­zielen der Regierung und des Pariser Abkommens und ebenso mit den Regeln zur Luftrein­haltung, zum Lärm­schutz und zur Erhal­tung der Biodiver­sität unver­einbar ist.
Das Urteil ist für Nicht-Juristen und mit dem englischen Rechts­system nicht Vertraute nahezu unver­ständ­lich, aber aus den Kommen­taren der Kläger ist ablesbar, dass die Ablehnung über­wiegend aus formalen Gründen erfolgte und keines­wegs endgültig ist. Zum einen gibt es Revisions­möglich­keiten, die zumindest von einigen Klägern wahr­genommen werden, zum anderen können ile der aufge­worfenen Fragen auch nach Meinung des Gerichts in den folgenden Stufen des Planungs­prozesses erneut beklagt werden. Dass dieser Ausbau mit den alten und erst recht mit den neuen Klima­zielen unver­einbar ist, steht für die Kläger ausser Frage und wird auch vom Gericht nicht bestritten.

Während die juris­tischen Auseinander­setzungen sehr spezifisch für das jeweilige Rechts- und Planungs-System sind, sind die politischen Schluss­folge­rungen, die aus solchen Entwick­lungen zu ziehen sind, eher verall­gemeiner­bar. Die hier beschrie­benen, innerhalb von zwei Tagen veröf­fent­lichten Meldungen fassen es wie mit einem Brenn­glass zusammen: es genügt nicht, kluge und fundierte Analysen der Probleme und Strategien für ihre Lösung zu haben und richtige und weg­weisende politische Erklä­rungen in den Gremien durch­zusetzen. Der wirkliche Erfolg stellt sich erst ein, wenn das schäd­liche praktische Vorgehen tatsäch­lich gestoppt und eine alter­native Entwick­lung einge­leitet werden kann. In einer Presse­mittei­lung von Plan B und Extinc­tion Rebel­lion bringt es Tim Crosland auf den Punkt:

"Solange Regierung und Gerichte ihre Köpfe vor der Klima­katastrophe in den Sand stecken und es versäumen, die Zukunft dieses Landes und seiner jungen Menschen zu sichern, ist der Sozial­kontrakt zerbrochen. Gewalt­freier ziviler Unge­horsam ist eine dringende und not­wendige Antwort und zeigt bereits Wirkung." (eigene Über­setzung)

 


Wenn es in UK gelingen sollte, die breite Mobili­sierung für den Klima­schutz auch für einen Stopp zerstöre­rischer Ausbau-Projekte zu nutzen, wäre das ein starkes Signal, von dem die Bewegung hierzu­lande viel lernen könnte.