Mobilität: Radikaler Einschnitt gefordert

Angesichts der fortschreitenden Erderwärmung hat der Mobilitätsforscher Andreas Knie für ein Verbot von Inlandsflügen plädiert. „Verbieten Sie die Flüge innerhalb Deutschlands“, forderte der Experte vom Wissenschaftszentrum Berlin die Politik in der Wochenzeitung „Die Zeit“ auf. Weiter verlangte er, wegen der fatalen Wirkung von Flugzeugabgasen auf das Klima solle man auch generell „die Zahl der Flüge pro Mensch deckeln“. Eine Alternative wären laut Knie deutlich höhere Flugpreise. „Der Preis muss die ökologischen Kosten enthalten. Das ist das Mindeste“, sagte der Mobilitätsforscher. Tatsächlich nahm der Flugverkehr in Deutschland im ersten Halbjahr um 2,3 Prozent zu. Weltweit betrug der Zuwachs sogar sechs Prozent.

Bei Ryanair stehen an diesem Freitag viele Maschinen still. Die Piloten in einigen europäischen Ländern streiken. Doch auch am Schwerpunkt Deutschland werden noch einige der Billigflieger abheben.

Derartige Mahnungen wie die von Knie sind nicht neu. Bereits vor zwei Jahren forderte unter anderem das Umweltbundesamt die Bürger auf, wegen des Klimawandels auf Flugreisen möglichst zu verzichten. Je näher das Reiseziel, desto geringer seien die Klima- und Umweltschäden, erklärte die Behörde. An die Politik appellierte sie, umweltschädliche Subventionen zu streichen, damit das Fliegen vom Staat nicht künstlich verbilligt wird. Abgeschafft gehörten nach dem Willen des Umweltbundesamts die Befreiung des Kerosins von der Energiesteuer, die Befreiung internationaler Flüge von der Mehrwertsteuer und Betriebsbeihilfen für Flughäfen. „Anders wird die wichtige Verlagerung auf die umweltfreundlichere Schiene und die Eindämmung des Wachstums im Flugverkehr nicht zu erreichen sein“, hieß es.

Rund 75 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, die dem Tourismus zugerechnet werden, stammen aus dem Verkehr – und davon wiederum 40 Prozent aus dem Flugverkehr. Ein Flugzeug stößt demnach für jeden Personenkilometer 211 Gramm klimaschädliches Kohlendioxid aus – und damit deutlich mehr als ein Pkw (142 Gramm) sowie mehr als fünfmal so viel wie die Bahn im Fernverkehr (41 Gramm).

Der Klimaforscher Michael Kopatz forderte jetzt, die Zahl der Autos in Deutschland zu halbieren und keine neuen Straßen mehr zu bauen. Zur Abwendung einer Klimakatastrophe seien entschiedene Schritte nötig, sagte der Projektleiter am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie im „Deutschlandfunk“. Bisher gebe es im Verkehrsbereich keinerlei Erfolg bei der Reduzierung der Emissionen. Er betonte, alleine mit Effizienz oder erneuerbaren Energien seien die Ziele nicht zu erreichen. Vielmehr seien einschneidende kulturelle Veränderungen notwendig. Der Zuwachs beim Gütertransport dürfe nur noch auf der Schiene stattfinden, unterstrich Kopatz.

Der Verkehrssektor liefert nicht

Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Cem Özdemir (Grüne), sagte der Frankfurter Rundschau: „Der Verkehrssektor hat beim Klimaschutz bisher überhaupt nicht geliefert. Wenn wir das Ruder rumreißen wollen, geht das nur mit einer echten Verkehrswende. Dazu gehören der Umstieg auf emissionsfreie Antriebe und die Förderung des Fahrrads genauso wie die Stärkung der Bahn als zentrales Verkehrsmittel für eine klimafreundliche und bezahlbare Mobilität.“ Er fuhr unter Anspielung auf Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) fort: „Die Zukunft der Mobilität ist vernetzt, emissionsfrei und zunehmend selbstfahrend, die Straßenbaupolitik à la CSU dagegen ganz schön retro.“ In jedem Fall müsse die Politik einen geeigneten Ordnungsrahmen vorgeben, damit die Megatrends Digitalisierung, Sharing Economy (zum Beispiel Autos teilen) und autonomes Fahren tatsächlich dazu beitrügen, Autodichte und Staus zu reduzieren, so Özdemir.

Die Akzente der Parteien in der Verkehrspolitik sind sehr unterschiedlich. Die Grünen schrieben in ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl, aktuell würden sich die Menschen „viel zu häufig“ für das Flugzeug entscheiden. Deshalb müsse die Bahn zu einer „attraktiven Alternative im europäischen Verkehr“ werden. Dann würde das Zugfahren „für viele die erste Wahl“. Fluggesellschaften sollten dagegen „endlich gerecht besteuert“ werden. Es sei nicht einzusehen, warum Airlines von der Kerosinsteuer befreit seien, so die Ökopartei. Die Linke regte „gute Alternativen“ zum Luftverkehr an sowie „den sozialen und ökologischen Dumpingwettbewerb im Luftverkehr“ zu unterbinden.

Die FDP hingegen sprach sich für mehr Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur aus und nannte in ihrem Programm dabei auch explizit Flughäfen: „Sie müssen daher weiterentwickelt und nicht in ihrer Kapazität und Bedeutung eingeschränkt werden.“ Union und Sozialdemokraten stellten ebenfalls das Mobilitätsgebot ins Zentrum ihres Angebots an die Wähler und konzentrierten sich weniger auf den Klimaschutz.

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