Corona-Viren und Luftverkehr
Corona-Zeiten: wir haben Anflug, aber trotzÂdem kann man über längere ZeitÂräume die Vögel zwitschern hören und sich draussen nahezu ungeÂstört unterÂhalten. Die Zahl der tägÂlichen ÃœberÂflüge bei Ostwind hat sich gegenÂüber März 2019 drastisch verÂringert. Es ist nur kaum jemand draussen für eine UnterÂhaltung.
Auch die Luft wirkt sauberer und die Sicht besser. SatelÂliten-AufÂnahmen zeigen, dass die LuftÂverschmutÂzung in den europäÂischen Zentren, auch im Rhein-Main-Gebiet, deutÂlich abgeÂnommen hat. Aber viele AktiviÂtäten draussen, die davon profiÂtieren würden, sind aktuell nicht möglich.
Es ist ein Blick auf das, was an UmweltÂbedingÂungen möglich wäre, wenn die MenschÂheit es fertig brächte, ihre wirtÂschaftÂlichen AktiviÂtäten rational, auf das WesentÂliche konzenÂtriert und emissionsÂarm zu organiÂsieren. Aber der Preis für diesen posiÂtiven Umwelt-AusÂblick ist immens hoch, weil sich die sozialen BedingÂungen dramaÂtisch verÂschlechÂtern.
Menschen leiden unter der InfekÂtionsÂkrankÂheit Covid19, viele sterben. Zu der Angst vor der KrankÂheit kommt für viele die Angst vor dem Verlust des ArbeitsÂplatzes, vor wirtÂschaftÂlichen Einbußen, vor dem Sturz ins Elend. Viele leiden unter der IsolaÂtion, den fehlenden sozialen Kontakten. GemeinÂsames Lernen, Spielen und Sport treiben ist kaum noch möglich, KommuniÂkation findet nur noch virtuÂell statt.
Der LuftÂverkehr ist einer der WirtÂschaftsÂsektoren, die von den MaßÂnahmen zur EinÂdämmung der PanÂdemie hart getrofÂfen werden, und entÂsprechend schreien die dort aktiven Konzerne und LobbyÂgruppen lautÂstark nach staatÂlicher Hilfe. Bevor man aber diese FordeÂrungen bewertet, sollte man das ganze Bild betrachten. Denn der LuftÂverkehr ist mindesÂtens ebensoÂsehr Täter wie Opfer. Er spielt eine wesentÂliche Rolle bei der schnelÂlen globaÂlen AusbreiÂtung von PandeÂmien wie der CoronaÂvirus-Pandemie, hat aber keinerÂlei VorbeÂreitung dafür getrofÂfen.
Vor über 15 Jahren verÂöffentÂlichte die Max-Planck-GesellÂschaft eine Studie, die die AusbreiÂtung der damaÂligen SARS-Epidemie unterÂsuchte. Darin "konnten sie zeigen, dass sich die geograÂphische AusbreiÂtung von EpideÂmien durch die Analyse der PassagierÂströme im interÂnatioÂnalen FlugÂverkehr vorherÂsagen lässt".
Genauer "konnten die Göttinger Forscher nachÂweisen, dass große Knoten im LuftÂverkehrsÂnetz, wie London, New York und FrankÂfurt, für eine rapide weltÂweite AusbreiÂtung einer Epidemie verantÂwortÂlich sind, und das weitestÂgehend unabÂhängig vom Ort des ersten AufÂtretens eines KrankÂheitsÂerregers". Und sie werden dann noch relativ konkret: "Wir konnten zeigen, dass der Versuch, eine Epidemie durch IsolaÂon der zentralen Knoten einzuÂdämmen, sehr vielÂverspreÂchend ist, während ein Blockieren der stärkÂsten VerÂbindungsÂlinien praktisch kaum einen Effekt hat".
Im Klartext: Wenn eine Pandemie bevorÂsteht, sollte man als Erstes die globalen Hubs dichtÂmachen, um eine AusbreiÂtung zu verlangÂsamen. NatürÂlich verbreiÂtet sich ein Virus trotzÂdem, weil es genüÂgend andere Pfade gibt, aber eben wesentÂlich langÂsamer. Und das kann bekannterÂmaßen entscheiÂdend sein.
In den folgenden Jahren wurden weitere Studien dieser Art gemacht und kamen zu ähnlichen ErgebÂnissen. Sie wurden sogar hin und wieder von den Medien aufgeÂgriffen, z.B. vom Stern oder vom Spiegel, aber nicht von der Politik. Die geht in ihrem "NatioÂnalen PanÂdemieÂplan" von 2007 ebenso wie 2017 davon aus, dass solche Aussagen 'umstritÂten' sind, und benutzt in ihrer "RisikoÂanalyse im BevölÂkerungsÂschutz 2012" statdessen ein SzenaÂrio von ergreiÂfender SchlichtÂheit, in dem zwei 'IndexÂpatienten' aus Asien einÂfliegen und hier alles infiÂzieren. (Alle PandemieÂplan-DokuÂmente gibt es auf einer ÃœberÂsichtsÂseite des Robert-Koch-Instituts.) Auch für die aktuelle Pandemie gab es frühÂzeitig ModellÂrechÂnungen, die bessere ErgebÂnisse lieferÂten als die offiÂziellen AuswerÂtungen der gemelÂdeten FallÂzahlen, aber auch erst spät oder garÂnicht berückÂsichtigt wurden.
Man kann darüber spekuÂlieren, warum ErgebÂnisse aufwänÂdiger ModellÂrechÂnungen ignÂriert werden und stattÂdessen Trivial-SzenaÂrien heranÂgezogen werden, um sich auf solche Fälle vorzuÂbereiÂten. NaheÂliegend ist, dass die SchlussÂfolgeÂrungen, zu denen die naturÂwissenÂschaftÂliche BetrachÂtung gelangt, wirtÂschaftsÂpolitisch so unerÂwünscht sind, dass sie einfach nicht wahr sein dürfen. Es hätte allerÂdings für die heutige SituaÂtion auch keinen prakÂtischen UnterÂschied gemacht, wenn die Autoren der RisikoÂanalyse 2012 das aufwänÂdige ModellÂszenario des MPI berückÂsichtigt hätten, denn auch ihre EmpfehÂlungen wurden weitÂgehend ignoÂriert.
So wenig wie die Politik hat auch die LuftÂverkehrÂswirtÂschaft selbst auf diese ErkenntÂnisse reagiert. InsbeÂsondere der FrankÂfurter FlugÂhafen, der nach ModellÂrechÂnungen des MPI für InforÂmatik in der SpitzenÂgruppe der VerÂbreiter-FlugÂhäfen weltÂweit liegt, ignoÂriert dies völlig. Wie Fraport selbst Ende Februar in einer PresseÂmeldung mitÂteilte, sind ihre "umfasÂsenden MaßÂnahmen als Reaktion auf [das] CoronaÂvirus" rein betriebsÂwirtÂschaftÂlich bestimmt und dienen nur dazu, "die KostenÂbasis zu senken und den PersonalÂeinsatz an den geringÂeren Bedarf anzuÂpassen". Knapp einen Monat später wird es noch konkreter: "In den Terminals sind ... sukzesÂsive Bereiche außer Betrieb gegangen, ... FlugÂsteige ... außer Betrieb, ... Gates temporär stillÂgelegt. Die verblieÂbenen TerminalÂbereiche werden entspreÂchend der NachÂfrage bedarfsÂeecht genutzt und ggf. weiter reduÂziert." Zweck des Ganzen: "Die LiquiÂdität der Fraport AG ist nicht gefährÂdet."
Welche AuswirÂkungen das praktisch hat, wird in Berichten von Reisenden deutlich. Sie prangern mit drasÂtischen BeschreiÂbungen fehlende SicherÂheitsÂmaßÂnahmen und Gedränge im Bus und an der GepäckÂausgabe an. Fraports Antwort darauf (in Blog-G unter 341. zu finden): "Die SicherÂheit unsererPasaÂgiere & MitarÂbeiter haben bei uns oberste PrioÂrität. Deshalb arbeiten wir eng mit den zustänÂdigen GesundÂheitsÂbehörden (GesundÂheitsamt der Stadt FrankÂfurt & HessiÂsches MinisÂterium für Soziales und InteÂgration) zusammen und erfüllen deren AnordÂnungen." Und tatsächÂlich lässt sich ein SachÂgebietsÂleiter dieses GesundÂheitsÂamtes in der FR mit dem Satz zitieren: "Wenn Sie fünf Stunden im selben FlugÂzeug waren, fällt der BusÂtransfer nicht so stark ins Gewicht". GenauÂsogut könnte man natürÂlich sagen: 'Wenn sie stundenÂlang im selben SuperÂmarkt unterÂwegs waren, fällt das Gedrängel an der Kasse nicht ins Gewicht'. MediÂzinisch ist das völlier nsinn, aber darauf kommt es nicht an. Das FrankÂfurter GesundÂheitsamt achtet eben hauptÂsächÂlich darauf, dass seine MaßÂnahmen der GesundÂheit der WirtÂschaft nicht schaden.
Erst eine Woche später und nach weiterer massiver Kritik erklärt Fraport zumindest, dass man das Gedrängel in den Bussen und an den GepäckÂbändern reduÂzieren wolle, betont aber weiterÂhin, es gäbe ja "keine behördÂlichen AnordÂnungen". Typisch Fraport eben: was keinen Profit bringt, tun sie nur, wenn sie gezwungen werden. Von gesellÂschaftÂlicher Verantwortung keine Spur - weder im ManageÂment noch im AufsichtsÂrat.
Was folgt nun daraus für die BeurÂteilung der FordeÂrungen der LuftÂverkehrsÂwirtÂschaft nach SubvenÂtionen? Hier ist natürÂlich zu unterÂscheiden zwischen dem, was jetzt kurzÂfristig passieren muss, um die aktuelle Krise zu bewälÂtigen, und dem, was mittel- bis langÂfristig notwendig ist.
Wieder streng wissenÂschaftÂlich, hat das WupperÂtal-Institut drei Phasen der KrisenÂbewältiÂgung unterÂschieden, wonach in der derzeiÂtigen ersten Phase die GesundÂheitsÂvorsorge im VorderÂgrund steht, in der zweiten, überÂlappenden Phase die "kurzÂfristige ökonoÂmische KrisenÂabwehr" organiÂsiert werden muss (inkl. notwenÂdiger SubvenÂtionen), aber in der dritten Phase die "langÂfristige TransÂformation" mit "VerstärÂkung notwenÂdiger TransÂformaÂtionsÂprozse" eingeÂleitet werden muss. Die Autoren konkreÂtisieren das nicht weiter, aber das muss uns ja nicht hindern, zu überÂlegen, was das heissen könnte.
Für die SubvenÂtionen in Phase 2 sollte natürÂlich gelten, dass die ökonoÂmische Krise mit staatÂlicher Hilfe für die abgeÂwehrt werden sollte, die das alleine nicht können - also insbeÂsondere die abhängig BeschäfÂtigten. Dabei gilt es natürÂlich genau hinzuÂschauen. So können Konzern-BelegÂschaften häufig einigerÂmaßen erträgÂliche BedingÂungen ausÂhandeln - für outgeÂsourcte, temporär und prekär BeschäfÂtigte gilt das in aller Regel nicht.
Soweit wie möglich verhinÂdert werden sollte, dass mit StaatsÂsubvenÂtionen die DiviÂdende von FinanzÂinvestoren gesichert wird, die ohnehin in Geld schwimmen und deren Verluste nur deshalb dramaÂtisch klingen, weil ihre Profite vorher ebenso phantasÂtisch waren. Das Netzwerk 'Stay Grounded' hat die wesentlichen Forderungen dazu in einem Oenen Brief zusammen gefasst.
Spannender aber ist die Frage: Wohin muss der FlugÂverkehr mittel- bis langÂfristig transÂformiert werden? Dass die bis vor kurzem geltenÂden WachstumsÂprognosen nicht wahr werden dürfen, wenn die KlimaÂkatasÂtrophe begrenzt werden soll, ist hinÂreichend belegt. Zugleich zeigen Studien wie die von Prof. Theissen, dass die aktuellen TransÂportÂleistungen mit deutlich weniger Aufwand erbracht werden könnten, wenn die Flüge koordiÂniert und bezügÂlich der EffiÂzienz optiÂmiert würden.
Kurzum: das System braucht drasÂtische VeränÂderungen, weg von der neoÂliberan WettÂbewerbs-Idiotie, hin zu einer optiÂmalen OrganiÂsation der unverzichtÂbaren TransÂporte. Dabei werden Airlines verÂschwinÂden müssen, ArbeitsÂplätze abgebaut werden, weniger Flüge stattÂfinden. All das muss sozialÂverträgÂlich organiÂsiert werden, genauso wie das VerÂschwinden des KohleÂbergbaus, der Nutzung fossiler BrennÂstoffe insgeÂsamt, und etliche andere TransÂformaÂtionen zur BegrenÂzung des KlimaÂwandels auch. Wenn SubvenÂtionen gewährt werden, dann nur, wenn sie diese ProÂzesse nicht behinÂdern.
WeiterÂhin muss natürÂlich die Rolle des FlugÂverkehrs bei der AusbreiÂtung von PandeÂmien, die auch künftig aufÂtreten werden, endlich berückÂsichtigt werden. NotwenÂdige VorbereiÂtungen für eine schnelle UnterÂbrechung der AusbreiÂtung bei gleichÂzeitiger SicherÂstellung der unabdingÂbaren TransÂporte müssen getroffen werden. Wo noch geflogen werden muss, müssen strengste SicherÂheits- und Vorbeuge-MaßÂnahmen greifen. Was das für die künftg GestalÂtung globaler LieferÂketten, des TourisÂmus und der GlobaliÂsierung insgeÂsamt bedeutet, wird intensiv zu unterÂsuchen und zu diskuÂtieren sein.
VereinÂfacht könnte man also auch in den hier behanÂdelten Bereichen sagen, dass das 'Greta-Prinzip' gelten sollte: "Follow the science - Hört auf die WissenÂschaft". AllerÂdings ist es doch ein wenig kompliÂzierter, wenn man z.B. bedenkt, dass uns noch vor ein paar Monaten 'streng wissenÂschaftÂlich' begründet wurde, dass weniger KrankenÂhäuser eine effiÂzientere GesundÂheitsverÂsorgung ermögÂlichen würden - und das zum Teil von denÂselben Leuten, die heute jammern, dass in der Fläche zuwenig Betten für die IntensivÂpflege vorhanden sind.
Schlimmer noch: liest man die "wissenÂschaftÂlichen BegrünÂdungen" der bisher entÂwickelÂten PandeÂmie-Pläne in DeutschÂland, dann findet man nicht nur eine seltsaeinseiÂtige LiteraturÂauswahl, sondern in der BewerÂtung einzelner MaßÂnahmen auch (nicht quantifiÂzierte) AusÂsagen wie "zu aufwändig", "zu teuer", "zu gravieÂrende wirtÂschaftÂliche Folgen" usw.. Und etliche der dort formuÂlierten SchlussÂfolgeÂrungen sind in der aktuellen Krise schon nach wenigen Tagen widerÂlegt worden. Auch vorgebÂlich wissenÂschaftÂlichen AusÂsagen sollte man daher mit Skepsis begegnen und fragen, ob sie wirkÂlich einen wissenÂschaftÂlichen Konsens darÂstellen oder interÂessen-geleiÂtete ErgebÂnisse propaÂgieren. Sie können aber auch einfach desÂwegen falsch sein, weil die PhänoÂmene ganz neu, die Methoden ungeÂeignet oder die handelnÂden Personen in falschen VorstelÂlungen gefangen sind.
Wenn es aber plausibel erscheint, dass wissenÂschaftÂliche ErgebÂnisse die Realität richtig beschreiben, sollte man auch den Mut haben, die daraus folgenÂden KonseÂquenzen zu akzepÂtieren. Dass man dabei heutzuÂtage immer öfter in WiderÂspruch zum MainÂstream gerät, zeigt einfach nur, dass VeränÂderungen dringend notÂwendig sind. In diesem Sinne gilt heute mehr denn je: damit alles halbwegs bleibt, wie es ist, muss sich alles ändern. Und wir müssen diejenigen sein, die diese ÄndeÂrungen einÂfordern.
Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles
Hinweis zum offenen Brief/zur Unterschriftenaktion:
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,
das Netzwerk StayGrounded sammelt in Kooperation mit mehreren Organisationen international Unterschriften für einen offenen Brief gegen Millionengeschenke an Airlines und an die Flugindustrie.
Nach Abstimmung innerhalb des Sprecherkreises haben wir den Brief für das BBI Bündnis der Bürgerinitiativen mit unterzeichnet.
Auch Eure Initiative kann diesen offenen Brief bis Sonntag 5. April 2020 um 15:00 Uhr unter flogendem Link mit unterzeichnen: forms.gle/7YwigiAwvpCzwj5V7
Auch spätere Unterschriften sind möglich, da am Montag 6. April 2020 der offene Brief zusammen mit einer Petition auf change.org (für individuelle Unterschriften) veröffentlicht wird.
Viele Grüße
Thomas Scheffler
Deutsche Ãœbersetzung des offenen Briefs:
#SavePeopleNotPlanes: Keine Millionengeschenke für die Flugindustrie
Mitten in der andauernden Corona-Krise, während die Welt gegen das Virus kämpft und unzählige Arbeiter*innen ihr Einkommen verlieren, fordert die Luftfahrtindustrie riesige und bedingungslose Rettungsaktionen durch Steuergelder. Hingegen hat sich die Industrie in den letzten Jahren nachdrücklich gegen verschiedenste Versuche gewehrt, ihre unfairen Steuerbefreiungen zu beenden, und es nicht geschafft einen sinnvollen Beitrag zu den globalen Emissionsreduktionszielen zu leisten. Dies würde Maßnahmen zur deutlichen Reduzierung des Umfangs der Luftfahrt erfordern.
Der Luftverkehr ist nicht nur derzeitfür 5-8% der globalen Klimawirkung verantwortlich, was hauptsächlich auf eine wohlhabende Minderheit von Vielflieger*innen zurückzuführen ist, sondern die Branche geht auch davon aus, dass sie weiter wachsen kann. In den letzten Jahrzehnten wurden auf Kosten von Niedriglohnarbeiter*innen und des Klimas enorme Gewinne erzielt.
Die von der gegenwärtigen Krise betroffenen Arbeitnehmer*innen brauchen Unterstützung - aber wir sollten die Luftfahrtindustrie nicht mit der Privatisierung von Gewinnen davonkommen lassen, während die Öffentlichkeit für ihre Verluste aufkommt. Wenn wir die strukturellen Probleme, die unsere Gesellschaften und Volkswirtschaften so anfällig für Krisen wie diese gemacht haben nicht angehen, werden wir für kommende Krisen noch anfälliger sein, da die Ungleichheiten zwischen und innerhalb der Länder weiter zunehmen und sich die ökologischen und klimatischen Notlagen verschärfen.
Rettungsaktionen dürfen nicht dazu führen, dass der Luftfahrtsektor nach dem Abklingen der Corona-Krise wieder zur Tagesordnung übergeht: Bei der Verwendung öffentlicher Geld muss sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer*innen und Klima an erster Stelle stehen.
Wir fordern:
- Menschen an erster Stelle
Anstatt Führungskräfte und Aktionäre zu retten, sollte jede finanzielle Unterstützung sicherstellen, dass die Arbeitnehmer*innen durch einen starken Arbeits- und Gesundheitsschutz unterstützt werden und dass Flugbegleiter*innen, Pilot*innen, Bodenpersonal, Caterer und andere betroffene Arbeitnehmer*innen während der Krise ein Grundeinkommen erhalten. - Ein gerechter Übergang: Auf dem Weg zu einer klimagerechten Mobilität
Der derzeitige unbeabsichtigte Einbruch in der Luftfahrt muss für den Aufbau eines klimagerechten Transportsektors genutzt werden. Eine Bedingung für öffentliche Unterstützung muss sein, dass sich die Luftfahrtindustrie auf das 1,5 Grad-Ziel ausrichtet. Die Emissionsreduktionen müssen absolut sein und dürfen weder auf zweifelhafte Ausgleichsmechanismen wie Kompensationen beruhen noch auf Biokraftstoffe zurückgreifen, die der Umwelt und Ernährungssicherheit schade oder zu Landkolikten führen. Da "grünes Fliegen" eine Illusion ist, muss der Flugverkehr reduziert werden. Für einen gerechten Aufschwung sind demokratische Entscheidungmechanismen und öffentliches Eigentum entscheidend. Die Regierungen müssen einen gerechten Übergang unterstützen: systemweite Veränderungen der Verkehrsnetze, die den Zugang zu erschwinglichen Alternativen (wie z.B. Bahnreisen) sicherstellen und es den Arbeitnehmer*innen ermöglichen, von Arbeitsplätzen, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind, zu menschenwürdigen Arbeitsplätzen in klimafreundlichen Sektoren zu wechseln.
- Keine Steuern? Keine Rettungsgelder!
Es ist nicht fair, die Luftfahrtindustrie mit dem Geld der Steuerzahler*innen zu retten, während andererseits kaum Steuern zahlt. Dadurch wird der Luftfahrt ein unfairer Vorteil gegenüber emissionsärmeren Verkehrsträgern verschafft. Steuerbefreiungen müssen daher gestoppt werden: Fluggesellschaften müssen zur Zahlung einer Kerosinsteuer verfichtet werden; und anstelle von Bonusmeilenprogrammen, die Anreize zum Fliegen bieten, müssen faire und progressive Abgaben auf Vielfliegerei eingeführt werden.
Die gegenwärtige Situation der Luftfahrtindustrie sollte genutzt werden um einen klimagerechten Transportsektor aufzubauen und Resilienz für zukünftige Krisen zu erreichen.