"Tüchtiges Schaffen, das hält auf die Dauer kein Gegner aus" (Peter Rosegger)

Das Jahr 2017 war,  was unsere Bemühungen gegen die schädlichen Auswirkungen des Flugverkehrs - und im besonderen des Frankfurter Flughafens - betrifft, von zwei gegenläufigen Entwicklungen

geprägt. Einerseits eine gestiegene Sensibilisierung für die Folgen des (Luft-)Verkehrs, insbesondere deren Bedeutung für das Klima. Hochwasser und Dürre, warme Winter und gleichzeitig klirrende Kälte in Teilen der hochindustrialisierten Zonen des Globus, kaum zu glaubende reaktionäre Klimapolitik der derzeitigen US-Regierung und parallel dazu stattfindende UN-Klimakonferenzen. Diese offensichtlichen Widerspüche verändern die Wahrnehmung auch solcher Bereiche wie der Fliegerei. Zumindest beim nachdenklichen Teil der Bevölkerung.

Und damit sind wir bei der anderen Seite: eklatante Zunahme des Flugverkehrs weltweit, besonders in den nachholenden Industrieländern wie etwa China. Die dortigen Aktivitäten, überall auf Profitmacherei basiert und damit zwangsläufig auf Wachstum ausgerichtet, verschärfen im globalen Wettbewerb die Konkurrenz auch bei uns. Ihr zu begegnen wird nach allen möglichen Hilfsmitteln gesucht, um Kosten zu minimieren und Einnahmen zu generieren. 

Die Folgen spüren wir auch in unserer Region: Landesentwicklungspläne, als seien die entsprechenden Abschnitte von der Luftverkehrsindustrie diktiert, "Lärmobergrenzenpakte", die keinerlei Wachstum behindern, Ausbaupläne zielgerichtet auf die neuen Anbieter und deren Kunden, den "Billigfliegern". Koste es was es wolle, es muss mehr geflogen werden.

Zur Durchsetzung der Forderungen einer sozialen Bewegung - und eine solche sind wir - braucht es neben subjektivem Engagement auch bestimmter objektiver Entwicklungen. Eine Großdemonstration mit tausenden TeilnehmerInnen ist beeindruckend, aber noch kein Beweis für gesellschaftliche Verankerung. Und die regelmäßige Teilnahme von wenigen hundert Menschen an Montagsdemonstrationen auch kein Zeichen geringen gesellschaftlichen Rückhalts. 

Die Entwicklungen im gesamten Umfeld, in dem wir operieren und in dem wir eine zwar nicht zu unterschätzende, wenn auch hauptsächlich diskursive Rolle spielen, stellen die objektive Seite dar, die -  bei allem guten Willen und großem persönlichen Einsatz - über Erfolg oder Misserfolg wesentlich entscheidet.

Im Rahmen dieser Bedingungen haben wir 2017 einiges geleistet, was uns viel Arbeit gekostet hat, aber auch Wirkung zeigte. Wir haben fast genau vor einem Jahr eine erfolgreiche, von über 1400 MitkämpferInnen getragene 200. Montagsdemonstration durchgeführt, beim Hessentag in Rüsselsheim 10 Tage Präsenz gezeigt, dabei sehr viele Menschen erreicht und demonstriert, dass der Widerstand gegen die schädlichen Auswirkungen des Frankfurter Flughafens lebendig ist wie eh und je. Wir haben den Bundestagswahlkampf in vielfältiger Weise genutzt, um Parteien und KandidatInnen unmittelbar und persönlich mit unseren Vorstellungen und Forderungen bekannt zu machen bzw. zu konfrontieren. Die Resonanz zeigte, dass es sich heute nicht mehr viele erlauben, die von uns bearbeitete Problematik zu ignorieren oder kleinzureden. Das war vor wenigen Jahren anders. Bei den Gesprächen, die wir mit den Spitzen der Landtagsfraktionen CDU, Grünen und SPD im Dezemeber 2017 führten (FDP und Die Linke folgen im Februar) wurdenwar die gängigen Argumente zur angeblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens in seiner derzeitigen Form wiederholt, beim Punkt seiner Auswirkungen auf das Klima aber herrschte eisiges Schweigen, bei allen. Seit der Norah-Studie wurden Fragen nach Gesundheitsschädigungen mittels Lärm und,  wesentlich durch unsere Aktivitäten, durch Ultrafeinstaub zum nicht mehr hintergehbaren Bestandteil jeder Debatte über den Flughafen. Beim Klima steht das noch aus, aber wir sind auf einem guten Weg.

Zu unseren Aktivitäten im Einzelnen, in chronologischer Reihenfolge (und ohne Anspruch auf Vollständigkeit, insbesondere was die vielfältigen Veranstaltungen der einzelnen BIs, z.B. im Bundestagswahlkampf betrifft):

Im Januar, am 31., die 200. Montagsdemonstration und der gemeinsame Besuch des SprecherInnenteams in der Ausstellung des "Umwelt und Nachbarschaftshaus" (UNH) in Kelsterbach.

Dann im Februar die traditionelle Beteiligung am Rosenmontagsumzug in Mainz, die Aktivitäten gegen die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Frankfurt an die ehemalige Oberbürgermeisterin und vehemente Befürworterin des Flughafenausbaus Petra Roth ("wem es zu laut ist, der soll doch wegziehen") und der Beginn der Auseinandersetzung mit der Entscheidung von Fraport und ihren Mehrheitsanteileignern Land Hessen und Stadt Frankfurt, mit Ryan Air den ersten und keineswegs letzten Billigflieger nach Frankfurt zu holen. Nicht nur der zunehmende Lärm und Schmutz, auch die besondere Unverfrorenheit, mit der sich Ryan Air als Eisbrecher beim Durchbrechen des Nachtflug"verbots" betätigt, hat uns das ganze Jahr beschäftigt und wird auch in Zukunft ein zentraler Punkt unserer Akivitäten bleiben.

Im März die Beteiligung an der Rheinland-Pfalz-Ausstellung und seit der März-DV die Vorbereitungen für unser Eingreifen beim Hessentag und der Bundestagswahl. Der frühe Zeitpunkt, 3 bzw. 6 Monate vor  Hessentag und Bundestagswahl war notwendig und begründet, wenn man weiß, wie viel Aufwand allein die Herstellung der Textmaterialien bereitet - zumal wenn sie nicht nur im SprecherInnenteam, sondern in der Bewegung konsensfähig sein sollen und müssen.

Auch im  April waren wir wesentlich mit diesen Vorbereitungen befasst, dazu einzelne Aktivitäten zum "Tag gegen den Lärm". 

Im Mai der evangelische Kirchentag, auch ein traditioneller Ort unserer Beteiligung. Dazu die Mahnwache bei der Hauptversammlung der Fraport und im Sprecherkreis die Diskussion um eine Beteiligung an den Aktivitäten anlässlich des G 20 Gipfels. Wir konnten leider nicht wie beabsichtigt am Alternativgipfel mit einem Workshop teilnehmen, da wir eine Beteiligung an den G 20 Aktivitäten leider zu spät in den Blick nahmen. Genau an diesem Punkt zeigte sich eine grundsätzliche Schwäche unserer regionalen Bewegung: die noch mangelhafte praktische Zusammenarbeit und Beteiligung an Aktivitäten anderer sozialer Bewegungen, mit denen wir uns zumindest unter dem gemeinsamen Dach des Kampfes gegen den Klimawandel befinden.

Ebenfalls im Mai kam relativ gleichzeitig Dobrindts Entwurf eines Luftverkehrskonzepts (ohne Abstimmung mit dem Umwelt- und Wirtschaftsministerium), der Entwurf einer Überarbeitung des Landesentwicklungsplans Hessen und das vom UNH getragene Sozialmonitoring auf den Tisch.

Auch hiermit haben wir uns auseinandergesetzt, dies fand seinen Niederschlag in Pressemitteilungen und in den Veröffentlichungen zur Bundestagswahl.

Der Juni stand ganz im Zeichen des Hessentags vom 9.-18.6.17 in Rüsselsheim. Wir schafften es durch den überwältigenden Einsatz vieler BI-Mitglieder aus den unterschiedlichsten Orten den Infostand 10 Tage lang von 9.00  bis 21.00 Uhr zu besetzen, sehr viele Gespräche mit den BesucherInnen zu führen, Infomaterial in großen Mengen zu verteilen und der großen Hitze zu trotzen.   

Der Juli bescherte uns eine unsägliche Pressemitteilung von Jühe und Wollert, die unter dem Label FLK die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums verteidigte, die vom Magistrat benannte Vertreterin Rüsselsheims für die FLK nicht berufen zu wollen. Positiv nahmen wir allerdings den Fluglärmbericht 2017 des Bundesumweltamtes (UBA) zur Kenntnis, der in seiner Kritik am bestehenden Fluglärmschutzgesetz in wichtigen Punkten unsere Forderungen bestätigte, insbesondere den Schutz der Nachtruhe von 22.00  bis 6.00 Uhr.

Im  August stellte der DFLD sein "kommunales Fluglärmmonitoring" vor. Auch hier war Jühe/FLK sofort bemüht, die Ergebnisse kleinzureden. Am 16.8. stellte Fraport den Bauantrag für eine vorgezogene Errichtung des Flugsteigs G zur Abfertigung der Billigflieger - jenseits aller Anforderungen des Planfeststellungsbeschlusses. Dieser hat eben nur Wirkung, wenn sich sein Inhalt gegen Forderungen aus der lärm- und schmutzgeplagten Bevölkerung richten läßt.

Im August auch eine Veranstaltung der ZRM zur Bundestagswahl in Wiesbaden, deren Vorbereitung und Durchführung ganz wesentlich auch von einer unserer Sprecherinnen geleistet wurde.

Die breit angelegte Fragebogenaktion für die BundestagskandidatInnen startete ebenfalls in diesem Monat.

Im September wurde der letzte Versuch vom Tisch geweht, bei heimischen Gerichten noch einmal einen Erfolg zu haben: die Wirbelschleppenklage wurde abschlägig beschieden. Ob dies dazu beiträgt, ein weniger naives Verhältnis zu Gerichten zu fördern - schön wärs. Wir haben jedenfalls versucht, mit unserem "Bundesweiten Aktionstag zur Luftverkehrspolitik" am 16.9. die gestiegene Aufmerksamkeit während der Wahlkämpfe zu nutzen. "Bundesweit" war er leider nur im Ansatz, auf regionaler Ebene gab es einige gute Aktionen. 

Im Oktober nahm eine Sprecherin an einer SPD-Konferenz zum Luftverkehr in Seeheim teil, im November dann eine Mahnwache vor und ein Infostand während des SPD-Landesparteitags,

die - vereinzelte - Teilnahme aus den BBI-Reihen an einer Demonstration anläßlich der UN-Klimakonferenz in Bonn, die 50-Jahr-Feier der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF),

Unterstützung der Protestkundgebung anlässlich der Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille

an Roland Koch und das unsägliche "Bündnis für eine Lärmobergrenze" (Luftverkehrswirtschaft, Wirtschaftsministerium, FLK ), bei dem sich die FLK-Spitze zum wiederholten Mal als Büttel von Landesregierung und Industrie produzierte und die Vertreterin der Luftverkehrsindustrie bei der Bekanntgabe keinen Hehl aus ihren Positionen machte: "Eine Reduzierung der Flugbewegungen war von uns von vornherein nicht verhandelbar".

Im Dezember folgten Gespräche mit den Landtagsfraktionsspitzen von CDU, Grüne und SPD (FDP und Die Linke folgen im Februar 2018).

Neben der überarbeiteten Neuauflage des BBI-Flyers, den umfangreichen Materialien zum Hessentag und dem wirklich beeindruckenden "Politikbrief" in Klein-und Großformat wurden Pressemitteilungen zu folgenden Themen verfasst:

  • "Wehret den Anfängen" -  zu den Angriffen auf die Nachtflugbeschränkungen (Januar)
  • 200. Montagsdemonstration (Januar)
  • CDU-Kritik an der gemeinsamen Erklärung der Oberbürgermeister von Mainz, Offenbach und Frankfurt (Januar)
  • Fraport-Schallschutzbericht (März)
  • Hessens integriertem Klimaschutzplan 2025 (März)
  • Deutsche Flugsicherung und dem unabhängigen Flugbetrieb Südbahn/NW-Bahn (April)
  • Auseinandersetzung um die Besetzung Rüsselsheims für die FLK  (Juli)
  • Änderung des Landesentwicklungsplans (Juli)
  • Fluglärmbericht 2017 des Bundesumweltamtes (Juli)
  • DFLD-Fluglärmmonitoring (September)
  • Aktionstag Luftverkehrspolitik (September)
  • Bundestagswahl am 24.02017 (September)
  • Unzureichendes Klimaabkommen der ICAO (Oktober)
  • Sechster Jahrestag der Eröffnung der Nordwestlandebahn (Oktober)
  • "Bündnis für eine Lärmobergrenze" (November)
  • Wilhelm-Leuschner-Medaille für Roland Koch (November)  

Ausblick 2018

Die Montagsdemonstrationen waren und sind unverzichtbarer Teil unserer Bewegung. 

Für Politik wie Soziale Bewegungen spielen Symbole eine nicht zu unterschätzende und permanent praktizierte Rolle. Die Montagsdemonstrationen sind zentrales Symbol unserer Anstrengungen, sie stärken wöchentlich die Solidarität unter den MitkämpferInnen und bieten Vielen die Möglichkeit sich dauerhaft oder sporadisch an Aktivitäten gegen die schädlichen Auswirkungen des Luftverkehrs und des Frankfurter Flughafens im Besonderen zu beteiligen.  

Es gibt derzeit keinen Anlass, daran zu zweifeln. Immer wieder gibt es jedoch vereinzelte Stimmen die die Montagsdemonstrationen in Frage stellen. Dabei spielt vermutlich ein verkürzter Blick oder ein Problem mit der eigenen Rolle in der Bewegung  die motivierende Rolle.

Trotz aller Unkenrufe: die 250. Montagsdemo steht an.

Es wäre eine gute Gelegenheit, um die überregionale Bedeutung zu betonen und die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Es könnten vielleicht RednerInnen aus London, Wien, Nantes und Basel-Mulhouse u.a. eingeladen und auch das Rahmenprogramm "international" gestalten werden. In Zeiten zunehmend autoritär-nationalistischen Tendenzen auch ein Beitrag gegen diese Entwicklungen.  

Im Herbst sind in Hessen Landtagswahlen. Sollten sie Ergebnisse wie auf Bundesebene haben, wird das unsere Bemühungen nicht sichtbar stärken. Wir wollen deshalb auch hier eingreifen um unseren Beitrag zu leisten, dass es möglichst nicht so kommt. Bei unseren Aktivitäten in Wahlkämpfen werden wir die notwendige Distanz zu  Parteien wahren, wie es  einer breiten, parteiübergreifenden sozialen Bewegung ansteht. Wir werden uns bemühen, den kritischen Blick auf Parteien und Institutionen nicht durch übertriebene Hoffnungen zu verlieren.

Vor Ort wird unser Kampf gegen die Billigfliegerei und für eine grundsätzliche Reduzierung der Flugbewegungen auf ein für die Bevölkerung unter gesundheitlichen und für das Klima unter grundsätzlichen Erwägungen erträgliches Maß, auch die nähere Zukunft bestimmen.

Weitere Versuche, die Vernetzung mit anderen BIs auf Bundesebene voranzubringen - wobei derzeit leider nur Stillstand festzustellen ist - ist dringend geboten. Das gleiche gilt für die Zusammenarbeit mit anderen sozialen Bewegungen, vor allem die praktische. Das heißt verstärkte Teilnahme an deren oder gemeinsamen Initiativen, Infostände  und dergleichen nicht nur bei staatlichen oder quasi-staatlichen Anlässen oder Organisationen, sondern dort, wo auch wir wirklich dringend gebraucht werden, um gemeinsam und solidarisch für eine andere Produktions- und Lebensweise, für ein "gutes Leben" zu streiten. 

BBI Sprecherinnen und Sprecher
25.01.2018