Ultrafeinstaub: holpriger Weg zum Verständnis

Primäre Partikel werden in einer Grössenordnung von 1014 Teilchen pro kg Treibstoff emittiert, für sekundäre Partikel beträgt dieser Wert bis zu 1017

Schon die Zwischen­ergeb­nisse liessen vermuten, dass das nicht gelingen würde, und der Bericht bestätigt es.
Dass die Beurtei­lung durch den Auftrag­geber trotzdem positiv ausfällt, liegt an einer nach­träg­lichen Umdefini­tion. Während es in der Leistungs­beschreibung bei Aus­schreibung des Projekts noch hiess: "Durch Modell­rech­nungen soll die räum­lich differen­zierte Expo­sition der Bevölke­rung in der Umge­bung eines Groß­flug­hafens von bis zu ca. 30 km ermit­telt werden", wurde daraus bei Vorstel�lng des Berichts eine Studie, "die durch die Anwen­dung vorhan­dener Emissions-Daten­sätze und Kombi­nation möglicher Modell­ansätze die modell­hafte Beschrei­bung der Ultra­fein­staub­konzen­tration wieder­gibt und deren aktuelle Grenzen auf­zeigen soll (Mach­bar­keits­studie)". Und zur Mach­bar­keit gibt es auch eine ein­deutige Aussage: So geht's nicht.

Trotzdem müssen natürlich für die Öffent­lich­keit einige hand­feste Ergeb­nisse vorge­zeigt werden. Dies geschieht in der Presse­mittei­lung des Umwelt­bundes­amtes, mit der der Abschluss­bericht vorge­stellt wird. Die wesent­liche Botschaft steht in der Über­schrift: "Turbinen-Abgase am Boden sind größte Quelle für Ultra­fein­staub von Flug­häfen". Im Text heisst es dann zwar noch: "Die Hälfte davon entfällt auf Roll­bewe­gungen der Flug­zeuge am Boden, die andere Hälfte auf Start- und Lande­vorgänge", aber im Kern wird das Dogma bestätigt: die Frei­setzung der ultra­feinen Parti­kel erfolgt auf dem Flug­hafen­gelände, von dort aus verteilt sie der Wind.
Für dies Ergebnis braucht es aller­dings keinerlei Modell­rechnung, es ist schon durch die zugrunde gelegten Input-Para­meter fest­gelegt. Für die Prozesse 'Landung', 'Roll­bewegung am Boden', 'Start' und 'Steigflug' sind jeweils Emissions­faktoren für UFP vorge­geben. Man muss also nur wissen, wie häufig jeder dieser Prozesse vorkommt, um durch Multipli­kation und Aufsum­mieren die jewei­ligen Anteile zu berechnen. Um heraus­zufinden, wie plausibel diese Aussage ist, muss man wesent­lich tiefer in den Bericht ein­steigen (s. unten).

Genauso ist es mit der zweiten Aussage in der Unter-Über­schrift: "Weniger Schwefel im Kerosin und elek­trische Schlepper am Boden können Emis­sionen stark senken". Auch das hat nichts mit der Model­lierung zu tun. Der Schwefel­gehalt des Kerosins kommt dort garnicht vor, es wird viel­mehr ein konstanter mitt­lerer Gehalt ange­nommen und der Emissions­faktor entspre­chend ange­passt. Aussagen dazu, welche Auswir­kungen eine Varia­tion dieses mitt­leren Gehalts haben würde, gibt es nicht. Und dass, wenn man die Lauf­zeit der Turbinen am Boden durch den Einsatz von Schlep­pern reduziert, diese weniger emit­tieren, ist so trivial, dass es dafür keinerlei Rechnung braucht.
Das heisst natürlich nicht, dass die daraus resul­tierenden Empfeh­lungen falsch wären. Natür­lich hat Schwefel in Brenn­stoffen, auch im Kerosin, nichts zu suchen, und Ver­brennungs­motoren durch elek­trische Antriebe zu ersetzen, macht auch Sinn, falls der Strom aus erneue­baren Energien kommt. Diese Erkennt­nisse stammen aber nicht aus diesem Projekt. Und auch die dritte Empfeh­lung: "Partikel­emis­sionen hängen aber auch von der Trieb­werks­techno­logie ab. Entspre­chend ausge­staltete emissions­abhängige Lande­entgelte können daher wichtige Anreize setzen, diese zu redu­zieren", könnte Sinn machen, hat aber mit Projekt­ergeb­nissen ebenso wenig zu tun. 

 Was gibt es also aus dem Projekt wirklich zu lernen? Der Bericht enthält durchaus eine Reihe von interes­santen tech­nischen Details und kriti­schen Diskus­sionen, aber die auf zwei­einhalb Seiten zusammen­gefassten Schluss­folge­rungen und der Ausblick sind extrem dünn.
Für das Versagen der Model­lierung wird im Wesent­lichen eine Erklä­rung gelie­fert: das Modell LASPORT, das für die Model­lierung der Partikel­emissionen aus den Flug­zeug­trieb­werken genutzt wird, kann nur einen Teil der ultra­feinen Partikel, die sog. 'nicht-flüchtigen' oder Primär-Partikel, dar­stellen. Ledig­lich das Modell für die Hinter­grund­belastung erfasst die Gesamt­zahl der Partikel (und domi­niert deshalb die Belas­tung im Gesamt­modell extrem, weitaus mehr als in anderen Unter­suchungen).
Dass das fatale Auswir­kungen auf alle Ergeb­nisse hat, kommt nicht über­raschend. Eine aktuell vom DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raum­fahrt, erstellte Lite­ratur-Über­sicht zeigt, dass Studien schon vor zehn Jahren zu dem Ergebnis kamen, dass Modelle, die atmo­sphärische Reak­tionen ultra­feiner Partikel vernach­lässigen, "den Beitrag der Flug­zeug-Emis­sionen zur lokalen und regio­nalen Luft­verschmut­zung wahr­schein­lich unter­schätzen" (eigene Über­setzung). Tatsäch­lich können durch diese Prozesse, abhängig von externen Para­metern wie der Tempe­ratur, tausend­mal mehr ultra­feine Partikel entstehen, als direkt vom Trieb­werk emit­tiert werden.
Solange die Modelle diese Prozesse nicht erfassen, kann es in der Tat keine Über­einstim­mung zwischen Messungen und Modell­ergeb­nisn geben. Der eben­falls im Bericht geäus­serte Vorschlag, doch bitte das zu messen, was sich auch model­lieren lässt, ist aus deren Sicht zwar verständ­lich, hilft jedoch nicht dabei, die tatsäch­liche Belas­tung der betrof­fenen Bevölke­rung zu ermitteln. Dazu müssen sowohl die Messungen (u.a. auf den Bereich bis 10 nm) erweitert als auch die Model­lierungen wesent­lich verbes­sert werden.

Was das Umwelt­bundesamt als Auftrag­geber aus dem Projekt lernt, wird sich genauer sagen lassen, wenn Details zu dem Nach­folge-Projekt vor­liegen, dass diesmal am neuen Berliner Flug­hafen durchge­führt werden soll. Viel­leicht gibt es bis dahin auch schon Ergeb­nisse aus den EU-Projekten mit den klang­vollen Namen AVIATOR und RAPTOR, die einige von den Fragen themati­sieren, an denen das UBA-Projekt geschei­tert ist, aber darüber hinaus noch weitere spannende Themen, auch zu gesund­heit­lichen Folgen und mög­lichen Regulie­rungen, betrachten.
Wer sich dafür interes­siert, sollte sich aber auch die CORDIS-Seiten zu href="https://cordis.europa.eu/project/id/814801" title="Neue Seite (engl.): EC-CORDIS AVIATOR 'Assessing aViation emission Impact on local Air quality at airports: TOwards Regulation'" target="_blank">AVIATOR und RAPTOR ansehen, denn kurioser Weise sind nicht alle Ergeb­nisse auf den jewei­ligen Home­pages zu finden.

Wie man aktuell die Belas­tungen durch Ultra­fein­staub besser erfassen kann, zeigt z.B. eine neue Studie aus den USA. Über zwei Jahre wurden rund um den Flug­hafen von Seattle in einem Umkreis von 10 km mobile Messungen von Ultra­fein­stäuben (bis hinunter zu 10 nm Durch­messer) und anderen Luft­schad­stoffen durch­geführt. Durch komplexe statis­tische Analysen konnten die Autoren zeigen, dass zwar die höchsten UFP-Anzahl­konzentra­tionen durch den Strassen­verkehr erzeugt werden, die aber nach wenigen hundert Metern auf Hinter­grund­niveau abfallen. Dagegen finden sich unter den Flug­routen, insbe­sondere unter den Lande­anflügen, stark erhöhte Werte, die sich über eine viel grössere Fläche erstrecken und deutlich mehr zur Belas­tung der Bevölke­ru bei­tragen.
Und damit wären wir auch wieder bei der Kern­aussage des UBA-Berichts, wonach die "Turbinen-Abgase am Boden ... größte Quelle für Ultra­fein­staub von Flug­häfen" sind. Diese Aussage resul­tiert aus der Vernach­lässigung eines wesent­lichen Anteils der Belas­tungen, und das sie falsch ist, ergibt sich schon daraus, dass mit dieser Annahme die gemes­senen Werte nicht erklärt werden können. Es wäre also höchste Zeit, dass auch für das hessische UFP-Projekt entspre­chende Konse­quenzen gezogen und die Projekt­inhalte entspre­chend ange­passt werden. Leider gibt es bisher keinerlei Hinweis, dass das passieren könnte.
Zwar wurde bei der Präsen­tation des Sach­stands dieses Projekts in der Flug­lärm­kommis­sion neben einigen sinn­vollen Ergän­zungen des HLNUG-Meß­programms (leider nicht die, die hier disku­tiert wurden) auch eine 'Wissen­schaft­liche Quali­täts­siche­rung' und ein 'Trans­parenz­papier' ange­kündigt, aber das kennen wir ja schon von anderen derar­tigen Projekten: dort haben sie nichts bewirkt. Auch hat wohl niemand in der FLK Diskus­sions- oder Änderungs­bedarf angemeldet (das Protokoll liegt aktuell noch nicht vor).

Dabei liegt es nach dem Scheitern des UBA-Projektes auf der Hand, was passierem müsste. Einer­seits müssen natür­lich die Aus­breitungs­modelle für UFP erweitert werden, damit sie auch alle Teilchen­arten und -grössen erfassen können. Aber vor allem müssen die Messungen so erweitert werden, dass sie erlauben, alle rele­vanten Prozesse der Ent­stehung und Verbrei­tung von UFP zu identi­fizieren. Erst dann kann man erwarten, dass Modelle die verblei­benden Wissens­lücken sinnvoll füllen können.
Ein erster Ansatz dazu wäre, die statio­nären HLNUG-Mes­sungen durch Methoden, wie sie z.B. in Seattle ange­wendet wurden, zu ergänzen. Um die Rolle der Über­flüge wirk­lich zu erfassen, wäre aller­dings etwas mehr Aufwand notwendig. Denkbar wären z.BMeßarrays aus LIDAR-Geräten und Partikel­zählern unter den An- und Abflug­linien, mit denen die Ausbrei­tung der Wirbel­schleppen im Nah­bereich des Flug­hafens und die dadurch bewirk­ten Partikel­transporte nachge­wiesen werden könnten. Die grund­legenden Methoden sind bekannt und könnten sicher mit vertret­barem Aufwand ange­passt werden.
Mit solchen Arbeits­paketen könnte das Projekt sicher wesent­liche Beiträge zu den wich­tigsten offenen Fragen leisten. Aber leider scheint es niemanden zu geben, der genug Interesse und Einfluss hätte, so etwas durch­zusetzen.

Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles