Vom Himmel hoch, da kommt auch er

Er ist unsichtbar und überall: Feinstaub. Die Gefahr für Herzinfarkte und das Risiko für Bluthochdruck und Schlaganfälle treibt er um 20 Prozent nach oben, hat die Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann von der Universität Düsseldorf herausgefunden. Und noch stärker gefährdet ist, wer gesundheitlich schon angeschlagen ist. Europäische Umweltbehörden gehen von jährlich weit über 10.000 Toten durch Feinstaub aus – allein in Deutschland. Die Messung der Luftbelastung durch Feinstaub ist seit Jahrzehnten technisch gut möglich, war bisher aber lückenhaft und wurde nicht systematisch in Angriff angenommen. Feinstaub – kaum Messwerte und unsichtbar. Das sind keine günstigen Voraussetzungen für eine Karriere als populäres Medienthema. Mit dem Abgasskandal bei VW und anderen Autofirmen aber änderte sich das. Plötzlich wurde klar, dass den Verantwortlichen wieder einmal Geld wichtiger ist als die Gesundheit. Während lange Zeit einfach nur allgemein von »Feinstaub« die Rede war, werden inzwsche verschiedene »Staubarten« unterschieden. Grund sind die Unterschiede in den Messverfahren, aber auch im Gefahrenpotential verschiedenster Staubpartikel. Die Großen (PM10, kleiner als 10 Mikrometer) nennt man Grobstaub, die Kleinen (PM2,5, kleiner als 2,5 Mikrometer) Feinstaub. Unterhalb einer Größe von 0,1 Mikrometer beginnt die Welt des Ultrafeinstaubs – und hier wird es richtig schmutzig. Diese Teilchen entstehen ausschließlich durch Verbrennungsprozesse wie im Straßen- und Luftverkehr.

Die Größenbezeichnungen überfordern unser Vorstellungsvermögen. Alle Angaben nämlich sind rechnerische Größen. Ein Meter entspricht einer Million Mikrometer. Wäre ein typisches Feinstaubteilchen so groß wie ein Fußball, dann hätte der echte Fußball einen Durchmesser von 1,5 Kilometern. Die Mainzer OpelArena und alle Stadien von der 1. bis zur 3. Liga zusammen hätten darin locker Platz. Für diese beiden Arten wird die Belastung mit Gewicht pro Kubikmeter Luft angegeben. Inzwischen hat die Wissenschaft den noch winzigeren Ultrafeinstaub im Visier. Mit einem Durchmesser von 0,1 Mikrometer ist er 25mal kleiner als die bisher gemessenen Feinstaubarten und 1000mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Statt Gewicht wird hier die Anzahl der Teilchen in einem Kubikzentimeter Luft bestimmt, das entspricht der Größe eines Würfels mit ca. 1x1x1cm.

Je feiner der Staub desto schädlicher die Wirkung

Staub aber sollte man nicht an seiner Größe, sondern an seiner krankmachenden Wirkung messen. So stellt das Umweltbundesamt fest »dass es keine Feinstaubkonzentration gibt, unterhalb derer keine schädigende Wirkung zu erwarten ist«. Im Gegenteil: Je kleiner die Partikel sind, desto tiefer dringen sie in den Körper ein. Während Nase und Rachen die Atemluft von Teilchen zwischen 10 und 2,5 Mikrometer einigermaßen zuverlässig reinigen, schaffen es die kleineren Teilchen zwischen 2,5 und 0,1 Mikrometer bis tief in unsere Atemwege und in die feinsten Verästelungen unserer Lungen. Sie gelangen so in Bereiche, aus denen sie beim Ausatmen nicht wieder ausgeschieden werden können und verbleiben deshalb im Körper. Entzündungen der Lunge und Bronchien sind die Folge. Für die kleinsten, die ultrafeinen Partikel, gibt es keine Grenzen, sie werden im gesamten Körper verteilt. Über die Lungenbläschen schaffen sie es in die Blutbahn – und nach Überwindung der Blut-Hirnschranke direkt in unser Gehirn. hlaganfälle, Herzinfarkte, Krebs und Demenz sind mögliche Folgen. Nachweisbar sind die Teilchen noch drei Monate nach dem Einatmen.

Eine Schwelle zur Schadlosigkeit gibt es für keine der Staubformen: Gesund sind sie alle nicht. Für PM10 und PM2.5 Staub gibt es Grenzwerte, für Ultrafeinstaub keine. Allerdings besteht ein klarer Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Partikelkonzentration und der Häufigkeit von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen. Diese Partikel entstehen vor allem bei den erwähnten Verbrennungsprozessen im Straßen- und Luftverkehr. Grob- und Feinstaub entsteht auch in der Natur, etwa durch Bodenerosion. Für rund die Hälfte der Belastung sind allerdings Straßen-, Schienen-, Schiffs- und Luftverkehr zusammen mit dem Energiesektor und der Industrieproduktion verantwortlich. Hinzu kommt die Landwirtschaft: Bodenbearbeitung, Tierhaltung, Düngung und Pestizide tragen ihren Teil zur Luftbelastung bei.

Ultrafeinstaub durch Flugverkehr

Bisher konnten sich die Verursacher die Verantwortung gegenseitig in die Schuhe schieben. Feinstaub und Ultrafeinstaub halten sich lange in der Luft und verteilen sich über große Entfernungen. So konnte für den Flugverkehr lange behauptet werden, dass trotz der enormen Mengen an Kerosin, die vor allem beim Start verbrannt werden, nur wenig von den giftigen Verbrennungsrückständen am Boden ankomme. Mit technisch ausgereifteren, einfach zu bedienenden und bezahlbaren Messgeräten und -verfahren lassen sich die Belastungen inzwischen besser den Verursachern zuordnen. Messungen in der Nähe des Frankfurter Flughafens zeigen eindeutige Zusammenhänge zwischen Flugbewegungen und Feinstaubbelastung. Eine besondere Rolle spielen dabei die durch Flugzeuge ausgelösten Luftbewegungen, sogenannte Wirbelschleppen (siehe Foto). Diese sind kräftig genug, um Dachziegel aus der Verankerung zu reißen, wie wiederholt in Flörsheim zu beobachten war. Wirbelschleppen und die normalen Luftbewegungen sorgen dafür, dassein- und Ultrafeinstaub bei Starts und Landungen schnell am Boden und damit in den Lungen der Menschen im Einzugsbereich ankommen. Frühere sogenannte PM10-Messungen (d.h. Gewichtsbestimmungen der größten Staubteilchen) im Bereich des Frankfurter Flughafens schienen Entwarnung zu geben. Wenn die Messwerte über Wochen oder Monate gemittelt werden, scheint die Belastung niedrig zu sein. Allerdings waren die Messstationen nach Angabe der Bürgerinitiativen so platziert, dass nur in 5 Prozent der Zeit der Wind aus Richtungen kam, in denen die Luft durch Flugverkehr tatsächlich belastet war. Zudem wurde, wie für Feinstaub üblich, lediglich die Belastung in Gewicht ermittelt. Je größer die Teilchen, desto größer ist das Gewicht. Die Belastung durch Ultrafeinstaub wird dagegen in Anzahl der Teilchen angegeben. Ultrafeinstaub wurde mit diesem Messverfahren nicht erfasst, er muss gezählt werden, nicht gewogen. Geht man von der Anzahl der Partikel in der Luft aus, haben beispielsweise 97 Prozent der gezähtn Teilchen nur 5 Prozent des Gewichts.

Gemessen wurde also die Qualität ohnehin wenig belasteter Luft mit einem zudem nicht geeigneten Messverfahren. Messungen einer Bürgerinitiative in Mainz-Hechtsheim, nur knapp 20 Kilometer vom Flughafen Frankfurt entfernt, zeigen, dass bei Landungen innerhalb weniger Minuten Ultrafeinstäube am Boden ankommen. Der Flugbetrieb sei nicht nur nachgewiesener, sondern entscheidender Verursacher der Ultrafeinstaubbelastung, so das Fazit der Mainzer Bürgerinitiative. Die Belastung sei bei Starts und Nutzung der Südumfliegung trotz größerer Entfernung vom Messpunkt sogar höher als bei Landungen. Winde und Wirbelschleppen drücken die durch die Triebwerke ausgestoßenen Ultra-Feinstäube nach unten und verteilen sie in Bodennähe über weite Gebiete. Die von der Bürgerinitiative gegen Fluglärm in Mainz veröffentlichten Daten und Graphiken zeigen diesen Zusammenhang deutlich.

Die Politik ist gefordert

Im Unterschied zu Lärm, der sich innerhalb eines Korridors bewegt und in Mainz auf die betroffenen Stadtteile begrenzt ist, belasten Fein- und Ultrafeinstaub sehr viel mehr Menschen in sehr viel größeren Entfernungen. Es ist an der Zeit, dass auch das rheinland-pfälzische Umweltministerium endlich Ultrafeinstaub in den betreffenden Stadtteilen erfasst! Dass bisher nur wenige Studien über die Zusammenhänge mit Krankheiten berichten, ist auf die fehlende flächendeckende Erfassung der Belastung zurückzuführen. Technisch möglich und bezahlbar sind solche Messnetze. Wenn aussagekräftige Messwerte vorliegen, wären die Konsequenzen für den Luftverkehr allerdings ähnlich unangenehm wie für die Automobilindustrie. Autos können nachgerüstet werden. Technisch schwieriger dürfte es sein, »saubere« Flugzeuge zu konstruieren. Allerdings sind auch hier Lösungen möglich. Umsteigeflughäfen können auch in dünn besiedelten Gebieten mit günstigeren Wetterbedingungen gebaut und betrieben werden. Und rade im innereuropäischen und vor allem innerdeutschen Verkehr sind viele Flüge entbehrlich und weniger belastende Verkehrsmittel noch deutlich ausbaufähig. Ausbaufähig im Gegensatz zu Flughäfen in ohnehin hoch belasteten Ballungsräumen wie dem RheinMain-Gebiet. 

Quelle: dermainzer.net