Was gegen das Chaos am Himmel hilft

Eine nach­haltige Lösung fordert dagegen die Initia­tive "STAY GROUNDED – AM BODEN BLEIBEN". Der Name ist im Englischen so doppel­deutig wie im Deutschen: 'am Boden bleiben' meint eben nicht nur nicht zu fliegen, sondern auch auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben und Einsicht in Not­wendig­keiten zu ent­wickeln. Das Positions­papier der Initiative tut genau das: begründen, warum der Flugverkehr einge­schränkt werden muss und was dafür alles not­wendig ist.

Das Papier nimmt dabei entsprechend der Globa­lität der Probleme auch eine globale Perspek­tive ein und möchte eine Grundlage liefern für alle Arten von Initia­tiven, die sich gegen das unge­bremste Wachstum des Luft­verkehrs und gegen eine oder mehrere seiner negativen Folgen wehren, sei es der Klima­wandel, die Schad­stoff­belastung, der Lärm, der Land­raub für Flug­hafen­bauten oder die Zerstö­rung wirt­schaft­licher, sozialer oder ökolo­gischer Struk­turen durch neue Wirt­schafts­zonen und Massen­tourismus.
Diese globale Perspek­tive im Auge zu behalten, ist nützlich, wenn man sich mit einem Gegner anlegen will, der global agiert und vernetzt ist, wenn man aber dem Aufruf zur Ein­mischung am Ende des Papiers folgen will, ist es nützlich, zunächst einmal genau hinzu­schauen, mit welchen Trieb­kräften man es lokal zu tun hat.

Was treibt also das Wachstum des Luft­verkehrs hierzu­lande und was ist dagegen zu tun? Bereits Anfang des Jahres waren in einem DLR-Report die folgenden auf­schluss­reichen Sätze zu lesen:

"In Deutsch­land werden etwa 50% aller Flug­reisen wegen einer längeren Urlaubs­reise durch­geführt. Zusätz­lich gibt es noch rund 15% private Kurz­reisen. Die rest­lichen 35% sind Geschäfts­reisen. Während inner­deutsch die Geschäfts­reisen deutlich dominieren, sind es ins Ausland die Urlaubs­reisen. So liegt der Anteil der Urlaubs­reisen auf Flügen ins europä­ische Ausland bei rund 60% und im inter­kontinen­talen Verkehr bei rund 70%."

Neben dem Unfug der Kurz­strecken-Geschäfts­flüge, für die es bereitsheute sinn­volle Alter­nativen von Video-Konfe­renz bis Zugfahrt gibt, ist es also die Touris­mus-Industrie, die das Wachs­tum der Luft­verkehrs-Industrie antreibt. Und sie richtet noch weitaus mehr Schaden an.

Schon die Klima­belastung durch den globalen Tourismus lässt sich nur grob abschätzen, aber eine neue, umfassende Studie kommt zu dem Ergebnis, dass er für ca. 8 % des globalen CO2-Ausstoss verant­wortlich ist und dieser Anteil stark wachsen wird, wobei hier nicht nur der Transport, sondern auch die erhöhten Emissionen vor Ort einge­rechnet sind.
Eine weitere umfang­reiche Modell-Analyse unter­sucht, ob die gegen­wärtige Form des Tourismus irgendwie mit den Erforder­nissen des Klima­schutz in Einklang gebracht werden könnte und schliesst:

"das erwartete Wachstum des Luft­transports für Tourismus ist unmög­lich in Einklang zu bringen mit der Absicht, den globalen Tempe­ratur­anstieg unter 2°C zu halten" (S. 192, eigene Über­setzung).

Nur ein Touris­mus-Szenario, das "eine starke Verschie­bung vom Luft­transport zu anderen Trans­port­arten und von Fernreisen zu mittleren und kurzen Entfer­nungen" sowie eine Reihe von weiteren optimis­tischen Annahmen bein­haltet, führt zu halbwegs klima-verträg­lichen Ergeb­nissen.
Einig sind sich alle Studien darin, dass eine Verän­derung der gegen­wärtigen, nicht nach­haltigen Trends nicht durch moralische Appelle, sondern nur durch eine Verän­derung der wirt­schaft­lichen und poli­tischen Rahmen­beding­ungen, insbe­sondere durch Besteu­erung klima­schädlicher Emis­sionen und Streichung umwelt­schädlicher Subven­tionen, erreicht werden kann.

Hin und wieder berichten auch die hiesigen Main­stream-Medien über soziale Folgen der heutigen Form des Massen­tourismus, z.B. über Massen­arbeits­losig­keit und prekäre Beschäf­tigung in den Ferien­zentren am Mittelmeer, und über die Verdräng­ung der Wohn­bevölke­rung durch Immobi­lien-Speku­lanten, die Ferien­wohnungen errichten. Dieser Aspekt wird auch als Problem des Tourismus hierzu­lande erkannt. Eher sten und mehr für ausge­wählte Kreise werden auch weiter­gehende Zerstö­rungen ange­sprochen.
Die offizielle Politik, von den UN über die EU bis zur Bundes­regierung sieht den Tourismus natür­lich haupt­säch­lich als wich­tigen Wirt­schafts­faktor, der das Brutto­sozial­produkt steigert und Arbeits­plätze schafft. Insbe­sondere sog. 'inno­vative Ansätze', die als Digi­talisie­rung der Touris­mus­wirt­schaft oder als Sharing Economy daher­kommen, werden gehätschelt und geschützt, auch wenn der ursprüng­liche Ansatz längst verloren gegangen ist und der wahre Charakter immer deut­licher wird. Die Branche selbst gesteht zwar Probleme ein, sieht aber primär andere schuld daran und kuriert an Symp­tomen. Von Wachs­tums­grenzen wollen sie nichts hören.

Auch kritische Organi­sationen und Projekte im Touris­mus-Sektor, die von vielen NGOs unter­stützt werden, wie Fair Unter­wegs oder Trans­forming Tourism, deren Berliner Dekla­ration einige Unter­stützung gefunden hat und die die sozialen und ökono­mischen Probleme, die der Tourismus verur­sacht, recht deut­lich beschreiben, haben Schwierig­keiten, die Grenzen, die dem Tourismus durch die Gefahren des Klima­wandels gesetzt sind, zu akzep­tieren und die Konse­quenzen zu ziehen, weshalb die Forde­rungen nach einem ach­haltigen Tourismus' unscharf bleiben. Nur wenige Initia­tiven wie das TOURISM INVESTIGATION & MONITORING TEAM machen deutlich, dass so etwas wie 'Öko-Tourismus' auf der Basis der derzei­tigen Transport­mittel nicht möglich ist.

Und auch viele, die einfach nur weniger Fluglärm haben oder wenig­stens die Nacht­flug-Beschrän­kungen einge­halten sehen wollen, werden es wohl als Zumutung betrachten, sich gegen den Tourismus aus­sprechen zu sollen. Und selbst wenn: sollte man wirklich fordern, denen, die es wollen und bezahlen können, Flüge zu verbieten?
Die Frage ist falsch gestellt. Wenn sich die Mensch­heit dieses System des Tourismus nicht mehr leisten kann, dann lautet die Frage nicht, ob, sondern nur wie es einge­schränkt und verändert werden kann, und wie die verblei­benden Möglich­keiten gerecht verteilt werden können. Von Gerechtig­keit kann derzeit so oder so nicht die Rede sein. Nicht nur hat die große Mehrheit der Menschen noch nie im Leben in einem Flugzeug gesessen, selbst im reichen Deutsch­land kann sich dzeit jede/r Sechste nicht nur keine Flugreise, sondern gar keine Urlaubs­reise leisten; in der EU ist es fast jede/r Dritte (30,5%). Global gesehen, sind Ferien­flüge etwas für wenige Privile­gierte - auch wenn die Wenigen schon zu viel sind.
Wenn sich also künftig weniger Menschen hierzu­lande jedes Jahr einen Flug in den Urlaub leisten könnten, weil die Preise dafür die realen Kosten wider­spiegeln, würde die Welt dadurch nicht unge­rechter, aber über­lebens­fähiger. Wer also das Chaos am Himmel, die wachsende Zahl der Flug­bewegungen und die zuneh­menden Nacht­flüge wirksam bekämpfen will, der wird sich im Bündnis mit anderen Initia­tiven, die die negativen Folgen des Tourismus bekämpfen, für eine drastische Reduktion der Ferien­flüge einsetzen müssn denn anders lässt sich die Zahl der Flug­bewegungen nicht redu­zieren.

Wer aber das Ganze lieber durch die rosa Brille sehen und alle Probleme weg­träumen möchte, wird natürlich auch bedient, z.B. in einem Szenario der Berater­firma Mott Macdonald, in dem ohne Rücksicht auf lästige Details beschrie­ben wird, wie der Kapita­lismus bis 2050 den Klima­wandel eindämmt und das Paradies auf Erden errichtet. Alles wird gut, wenn man nur den Markt gewähren lässt. Warum das in den letzten 200 Jahren nicht funktio­niert hat, wird aller­dings nicht erklärt.

Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles