Wir geben Sonderofpern ein Gesicht - Bericht von Sandra aus Flörsheim

"Wer billig in Flughafennähe kauft, muss auch den Fluglärm abkönnen"

Unser Haus in Flörsheim wurde 1986 von der Familie meines Mannes gebaut. Vier Jahre, nachdem Ministerpräsident Holger Börner öffentlich versprochen hatte, es werde keinen weiteren Ausbau geben ("...kein Baum wird mehr fallen").

Es war ein für damalige Verhältnisse ziemlich kostspieliger, moderner Bau (mit sehr guten, relativ schalldichten Fenstern, die ich deswegen auch jetzt nicht gegen die minderwertigeren Fenster austauschen lasse, die mir im Rahmen des Schallschutzprogramms zustehen würden). Der Fluglärm vor der NW-Bahn war auch nicht gerade milde, aber man konnte ihn einigermaßen ertragen und hatte sich arrangiert.

"Aber zweimal im Jahr in Urlaub fliegen wollen die Fluglärmgegner"

Ich fliege nicht in den Urlaub, Fernreisen liegen mir nicht sonderlich und seit ich mich mit dem Thema Fliegen und den damit verbundenen Belastungen für das Klima und die Menschen beschäftige, weiß ich eben auch, dass es noch viele andere gute Gründe gibt, darauf weitgehend zu verzichten oder es zumindest nicht für mein gutes Recht zu halten, die Umwelt permanent derart maß- und sorglos zu belasten, um hurtig und möglichst billig alle Flecken des Planeten abhaken zu können.

Aber ich verurteile niemanden, der irgendwohin fliegen möchte, schließlich sind es ja nicht die Urlaubsreisen, die uns hier in der Region derart belasten und den Betrieb der Nordwest-Landebahn notwendig machen.

"Wem es nicht passt, der kann ja wegziehen"

Mein Mann ist vor drei Jahren gestorben und ich wohne jetzt mit zweien unserer drei Söhne hier. Tür an Tür mit der betagten Mutter meines Mannes und seinem schwer kranken Bruder, um die ich mich kümmere. Als wir meinen Mann verloren haben, wurde mir erst bewusst, wie sehr ich hier inzwischen zu Hause bin. Ich habe die vielen Nachbarn und Freunde um mich herum vorher gar nicht so wahrgenommen, weil ich wie die meisten Menschen in meinem Alltag so beschäftigt war, dass ich kaum mal hochgeschaut habe. 

Aber als es richtig schwierig wurde, waren plötzlich ganz schön viele Leute um uns herum, die halfen und für uns da waren. 

Ich habe hier viele Pflichten, die mich festhalten und mein Sohn geht noch zur Schule. Aber hier ist auch unser Zuhause, das ich liebe und ein Umfeld, das mir wichtig ist. Weil es im Moment offenbar schwierig ist, Wohnraum im Rhein-Main-Gebiet zu erwerben, könnte ich unsere Wohnung vermutlich trotz Fluglärm relativ leicht loswerden. Aber genau aus dem gleichen Grund könnte ich ziemlich sicher nicht halbwegs vergleichbares in der Nähe finden, das ich mir leisten kann.

Ich denke in letzter Zeit trotzdem manchmal darüber nach, ob das Leben hier überhaupt noch lebenswert ist.

"Mimimi...Fluglärm ist Kopfsache"

Bei Ostwind ist es immer schwer auszuhalten, besonders im Sommer, weil man ohne Ohrstöpsel nicht auf der Terrasse oder im Garten sein kann und man sich im Haus zwischen frischer Luft bei geöffneten Fenstern oder Lärmminderung bei geschlossenen Fenstern entscheiden muss. Gespräche müssen im Eineinhalb-Minutentakt unterbrochen werden und im Straßenverkehr kann man sich nicht auf seine Ohren verlassen und muss das auch den Kindern einschärfen.

Gegen die Gefahr, die im Grunde ständig und überall durch Wirbelschleppen bedingt herabfallende Ziegel droht, kann man sich als Passant gar nicht schützen. Man muss - so wie die Verantwortlichen auch - einfach darauf hoffen, dass nichts passiert und wenn doch, dass es irgendwie gut geht. So schlimm, so gut. Wir alle machen das jetzt hier schon seit ein paar Jahren. 

Aber seit die ohnehin schon kurze nächtliche Pause durch die Flüge nach 23 Uhr ständig um eine Stunde verkürzt wird, ist es eigentlich unerträglich. Man wacht ja nicht einfach nur auf, sondern das Herz klopft einem bis zum Hals, wenn einen das Kreischen, Heulen und Dröhnen (mal das eine, mal das andere, manchmal alles gleichzeitig) weckt. Der erste Flieger kommt bereits um fünf wieder, da muss ich ohnehin aufstehen, aber wenn die Nacht erst um 12 beginnt, ist das einfach zu wenig Schlaf und ich merke das tagsüber, besonders in einer langen Ostwindphase. Gerade ist sie sehr lang. Man wünscht sich sehnlichst ein wenig Westbetrieb und fühlt sich gleichzeitig schlecht dabei, weil man der anderen Seite das Übel ja auch nicht wünscht, besonders, wenn man es gerade so heftig am eigenen Leib erfährt.