Wir tun was - aber es reicht nicht

Es ist eine hohe politische Kunst, die Botschaft drohender Katas­trophen und des eigenen Versagens bei ihrer Bekämpfung so in eine Hülle guter Nach­richten über kleine Erfolge zu verpacken, dass kaum jemand sich darüber aufregt. Die Präsen­tation des aktuellen Umwelt­report der Europä­ischen Luft­fahrt 2019 ist ein gutes Beispiel dafür. Er wurde feder­führend von der Europä­ischen Agentur für Luft­sicher­heit (European Aviation Safety Agency, EASA) unter Betei­ligung der Europä­ischen Umwelt­agentur (European Environmental Agency, EEA) und EURO­CONTROL erstellt und ist nur in Englisch verfügbar.

Die zuständige EU-Verkehrs­kommissarin Violeta Bulc feiert laut einer Presse­mittei­lung der deutschen Vertre­tung der Kommission die kleinen Erfolge: "Dieser neue Bericht zeigt, dass unsere gemein­samen Aktionen funktio­nieren: Wir haben den Treib­stoff­verbrauch und den Lärm pro Flug reduziert. Investi­tionen haben effizien­tere Techno­logien entwickelt. Flughäfen werden klima­neutral. Und wir beginnen mit der Umset­zung des ersten globalen Systems zum Ausgleich der CO2-Emis­sionen". Nur sehr ver­schleiernd wird weiter hinten zuge­standen, dass die CO2-Emis­sionen absolut um 10% gestiegen sind ("nur halb so stark wie die Zahl der Flüge"), währendie Entwick­lung beim Lärm ganz tendentiös darge­stellt wird. "Die Lärmbe­lastung konnte leicht verringert werden", wird behauptet, was aber nur für die Schall­energie pro Flug gilt. Die Zahl der (nach EU-Kri­terien) von Fluglärm betrof­fenen Menschen hat dagegen deut­lich zuge­nommen.
Die voll­ständige, englische Fassung der Presse­mittei­lung ist da schon ehrlicher. Auch hier werden die kleinen Erfolge an den Anfang gestellt, aber dann auch die beste­henden Probleme zumindest grob benannt. Deutliche Worte finden insbe­sondere die Chefs der Europä­ischen Umwelt­agentur ("Der Bericht bestätigt, dass die gegen­wärtie Trends und Perspek­tiven in der Luft­fahrt nicht kompa­tibel sind mit dem Schutz von Umwelt, Klima und Gesund­heit.") und von EURO­CONTROL ("... das Verkehrs­wachstum macht die Umwelt­einflüsse der Luftfahrt noch heraus­fordern­der. Im letzten Jahr ist der Verkehr in Europa um 3,8% gewachsen, aber das Wachstum der CO2-Emis­sionen hat ihn mit 5,2% überholt.")
Folge­richtig berichtet auch die englische Ausgabe der Online-Platt­form EURACTIV einiger­maßen realis­tisch über die Inhalte des Berichts. Die deutsche Ausgabe der Platt­form erwähnt ihn garnicht. Von den grossen Tages­zeitung in Deutsch­land berichtet auch nur die TAZ.

Auch der Bericht selbst folgt dem Muster: kleine Erfolge werden gefeiert, die Anstreng­ungen der Luft­verkehrs­wirt­schaft gelobt, aber auch sehr deutlich und mit vielen Fakten gezeigt, dass die Trends negativ sind, die gesetzten oder propa­gierten Ziele verfehlt werden und Bes­serung nicht in Aussicht ist. Das beginnt schon in der Zusammen­fassung, die eine Tabelle enthält, in der 4 von 6 Umwelt­indika­toren rot unter­legt sind, also einen negativen Trend zeigen, und im Text u.a. die Aussagen enthält "Fluglärm wird wahr­schein­lich weitere Bevöl­kerungs­kreise treffen" und "Bis 2040 werden die Emis­sionen von CO2 und NOx voraus­sicht­lich um 21% bzw. 16% wachsen" (während die EU-Kommis­sion plant, die EU-Wirt­schaft bis 2050 'CO2-neutral' zu machen). Im Text finden sich dazu noch viele ebenso deut­liche und detail­iertere Aussagen, und er liefert damit den Gegnern des Luft­verkehrs­wachstums jede nge Argumente.
Aller­dings hat der Bericht auch deutliche Mängel. In vielen Fällen werden poten­tielle Gefahren nicht oder nur unzu­reichend benannt. Besonders krass wird das am Beispiel der drohenden Entwick­lung neuer Über­schall­flug­zeuge, die besonders in den USA, aber auch mit Unter­stützung von Airbus, voran­getrieben wird. Dazu heisst es nur verharm­losend, dass "neue Techno­logien sorg­fältig in das Luft­fahrt-System inte­griert werden müssen, um den Prozess der Milde­rung der Umwelt­wirkungen nicht zu unter­minieren" - eine sehr kryptische Aussage ange­sichts der Tatsache, dass die Umwelt­folgen des Über­schall­flugs gravie­rend sein werden.

Schlimmer ist aber noch, dass die EU offenbar all das, was an Erkennt­nissen und Empfeh­lungen aus dem Bericht für den Umwelt­schutz nützlich wäre, in ihrer prakt­ischen Politik sofort wieder vergisst. So ist gerade bekannt geworden, dass EU-Ver­treter bei den aktuellen Verhand­lungen der ICAO über neue Energie­effizienz-Standards für Flugzeuge auf Druck von Airbus für niedrigere Anforde­rungen eintreten, während ausge­rechnet die USA hohe Standards verteidigen. Auch der Anspruch, an sog. alter­native Treib­stoffe hohe Umwelt­standards anzu­legen, droht gerade aufge­geben zu werden. Und die Handels­politik der EU unter­miniert diesen Anspruch ohnehin permanent und befindet sich damit im Einklang mit der Welt­handels­organi­sation WTO, deren Chef einen negativen Einfluss des globalen Handl auf das Klima generell bestreitet.

Die Bundes­regierung trägt einen erheb­lichen Teil an Mitverant­wortung für dieses Versagen der EU-Politik. Sie wehrt sich gegen den Versuch, inter­natio­nalen Konzernen bindende Verpflich­tungen zum Schutz von Menschen­rechten und Umwelt aufzu­erlegen und bleibt mit ihrer eigenen Klima­politik weit hinter den Erforder­nissen des Pariser Abkommens zurück. Eine Vertre­terin der Schï½ler- und Studen­ten-Bewegung "Fridays for Future", die aktuell in ganz Europa Aktionen und Streiks für mehr Klima­schutz durch­führt, kommt nach einem Treffen mit Wirt­schafts­minister Altmaier zu dem Ergebnis: "Was er uns erzählt hat, war unglaublich und absurd ... . Er sieht die Wirt­schaft Deutsch­lands durch den Klima­schutz gefährdet. Er stellt kurz­fristige wirt­schaft­liche Inter­essen in den Vorder­grund und verspielt damit unsere Zukunft." Treffender kann man es nicht formu­lieren, und es gilt leider nicht nur für Herrn Altmaier, sondern für die Regie­renden auf allen Ebenen.

Demgegen­über kommen aus Wissen­schaft und Zivil­gesell­schaft immer mehr Forde­rungen nach Reduzie­rungen der Belas­tungen durch den wachsenden Transport­sektor und insbe­sondere nach Beschrän­kungen im Flug­verkehr. Darauf zu hoffen, dass die herr­schenden Eliten darauf eine Antwort finden, die mehr bein­haltet als hohle Verspre­chungen, die durch ihre Aktivi­täten umgehend konter­kariert werden, ist illu­sorisch.erän­derungen wird es nur dann geben, wenn die Betrof­fenen aus­reichend Druck machen.

 

Quelle: www.bi-fluglaerm-raunheim.de, Aktuelles